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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Touristen kamen durchs Tor, zwei Ehepaare aus Karlsruhe, Feriengäste aus dem Nachbarhaus, um einige Kartons Wein mitzunehmen,
     die Maria aus dem Flaschenlager holte. Das eigentliche Lager war ein Stockwerk tiefer im Gewölbekeller, der noch vor den Türkenkriegen
     gebaut worden war und den die Gäste unbedingt sehen wollten.
    Während Maria ihnen den Wunsch erfüllte, betrachtete Carl die Flaschen, sah das Kondenswasser daran herunterlaufen. Er konnte
     sich kaum vorstellen, etwas zu tun, was ihm keinen Spaß machte, und noch dazu mit jener Hingabe, wie sie Maria an den Tag
     legte. Klar, auch er erledigte Jobs ausschließlich des Geldes wegen, die Übersetzungen für die Chemiefirma. Doch als das Unternehmen
     in einen Umweltskandal verwickelt worden war, Johanna hatte davon berichtet, hatte er sofort gekündigt. Heute hätte sie fürs
     Gegenteil |52| plädiert (»Wenn du’s nicht machst, dann tut es eben ein anderer«) und ihm vorgeworfen, sich auf ihre Kosten auszuruhen. Eine
     Woche später hatte er einen neuen Job – eine Firma mit Interessen in Großbritannien brauchte jemanden für die technische Korrespondenz.
     Freude? Nein, aber die Arbeit wurde wesentlich besser bezahlt als Literaturübersetzungen. Und sie war viel einfacher. Bei
     Geschäftsbriefen wusste er, was der Unterzeichner wollte, bei den Schriftstellern war es komplizierter.
    Kompliziert – genau das war es. Er schenkte sich ein Glas Wein ein und stürzte es herunter. Maria erinnerte ihn fatal an Johanna,
     als sie sich noch leidenschaftlich für ihren Beruf engagiert hatte, Umweltingenieurin aus Überzeugung und dazu radikal: Bei
     den Castor-Transporten hatte sie auf den Schienen gesessen, Widerstand gegen die Staatsgewalt   ... als er sie kennen gelernt hatte, war sie gerade von der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro zurück. Und was war davon geblieben?
     Sie hatte abgeschworen, war aufgestiegen, hatte ihre Vergangenheit verleugnet, hatte Karriere gemacht und verdiente einen
     Haufen Geld, bestimmt das Vierfache von dem, was seine Arbeit einbrachte. Das war nicht das Schlimmste, verletzender war die
     Art, wie sie es betonte, auch in Anwesenheit ihrer Freunde, die nach und nach wegblieben.
    »Du bildest dir tatsächlich ein, dass da noch was zu retten ist?«, hatte sie kopfschüttelnd gesagt, als zweifle sie an seiner
     Intelligenz. »Die Gegenseite hat längst gewonnen! Der größte Witz von allen ist der Handel mit Emissionsrechten. Da wird nicht
     ein Schornstein zugemauert, nicht eine Stammzelle geschont, keine Straße und kein Auto weniger gebaut, da wird sich nach jedem
     genmanipulierten Maiskorn gebückt.« Und ihren wachsenden Frust tobte sie jetzt auf dem See aus   ... Aber kaum stieg sie vom Surfbrett, war er wieder da. Wie sollte das weitergehen? Mit ihr? Oder   – Carl wagte es kaum zu denken, vielleicht mit der Frau, die jetzt zur Tür hereinkam und lächelnd eine Rechnung schrieb?
    |53| »Was war mit deinem anderen Bruder?«, fragte Carl, als die Feriengäste gezahlt hatten und sie wieder allein waren.
    »Ach, er war ein Träumer. Er hat immer von der Serengeti geschwärmt, von der Etoshapfanne, vom Krüger Nationalpark in Südafrika.
     Wilde Tiere, das war sein Thema. Deshalb hat er ein Praktikum bei einem Weinbaubetrieb in Südafrika gemacht. Er sollte Vaters
     Nachfolger werden. Eines Tages ging er auf Safari, mit zwei anderen. Keiner ist wiedergekommen. Was passiert ist, wissen wir
     nicht. Es ist fünfzehn Jahre her, ich war damals gerade fünfzehn. Da war Krieg in Südafrika, da herrschte Apartheid, es gab
     Überfälle, es gab Wilderei, Räuberbanden, vielleicht eine Mine, wir wissen es nicht, alle drei sind spurlos verschwunden,
     zwei seiner Begleiter waren Südafrikaner, Arbeitskollegen, ein Weißer und ein Schwarzer. Wir haben nie wieder von ihnen gehört.«
    Carl stellte keine weiteren Fragen. Er erinnerte sich an den Roman ›Der Judaskuss‹ des Portugiesen António Lobo Antunes, der
     in Angola gekämpft hatte. »Vor fünfzehn Jahren?«, fragte Carl. »Da war aus dem Unabhängigkeitskampf längst Bürgerkrieg geworden.
     Zwischen Frelimo und Renamo. Vielleicht   ... «
    Maria winkte ab. »Namen, nur Namen. Lass es, lass es dahingestellt. Es war fürchterlich für meine Eltern, diese Ungewissheit.
     Ewig haben wir gehofft, dass er wieder kommen würde – Ja, dann die Krankheit meiner Mutter.« Maria stieß heftig die Luft aus
     und ihre Lippen wurden schmal, sie lächelte zwar, aber mit feuchten Augen.

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