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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Windstärken.

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    Zwei helle Betonblöcke, Erdgeschoss plus zwei Etagen, verbunden durch einen Trakt, Antennen auf dem Dach, wahrscheinlich Keller,
     ein massives Bauwerk, eine Festung. Da brauchte man einen riesigen Nussknacker, um reinzukommen, Handschellen an den Handgelenken
     oder eine Vorladung. Carl atmete auf und betrachtete die Polizei-Direktion von der gegenüberliegenden Straßenseite. Er konnte
     heilfroh sein, dass er wieder als freier Mann rausgekommen war.
    Herrndorff hätte ihn am liebsten dabehalten. »Sie bleiben zu unserer Verfügung«, hatte der Inspektor nach dem Verhör befohlen
     und ihn hinauskomplimentiert. Abreisen, verschwinden, alles hinter sich lassen kam also nicht in Frage.
    Erleichtert, obwohl die Hitze drückend war, löste Carl das Schloss, mit dem er sein Rad vor dem Supermarkt an ein Verkehrsschild
     geschlossen hatte, und blickte erneut zurück. Die Bäume auf dem Parkplatz vor der Polizeidirektion milderten den martialischen
     Eindruck des Komplexes kaum. Architektur der Einschüchterung? Doch moderne Funkanlagen, Abhöreinrichtungen und Kabelschächte
     für Computer mit wer weiß wie vielen vorhandenen und noch geplanten gesamteuropäischen Überwachungsdateien ließen sich kaum
     in einem barocken Verwaltungsgebäude aus der k. u. k. Monarchie unterbringen. »Der neue Faschismus«, hatte der französische
     Philosoph Michel Foucault geschrieben, »zeigt sich nicht mehr mit Braunhemden auf der Straße |175| , sondern durch die Übernahme der Macht durch das Innenministerium.« Diente Al Qaida lediglich als Vorwand zur Aufrüstung
     für kommende Auseinandersetzungen in den europäischen Banlieues, oder war die Grenze nach Osten tatsächlich heiß? Das waren
     zwar auch seine Gedanken, aber Johanna hatte den Mut gehabt, so was auszusprechen – früher.
    Man konnte es auch anders sehen: Das Burgenland war schon immer ein Grenzland gewesen, heute mit einer halb offenen Grenze,
     die überwacht werden musste. Schlepperbanden waren unterwegs, ob hier eine Drogenroute verlief, entzog sich Carls Wissen,
     möglich war es. Dann die Verkehrsverbindungen zwischen Osteuropa und dem Balkan, zu den neuen E U-Mitgliedern . Außerdem war das soziale Gefälle zwischen Österreich und den Nachbarn erschreckend, der Anreiz, sich das Fehlende zu holen,
     war groß, und im Osten fehlte viel. War »holen« nicht längst ein Synonym für kaufen? Wozu dann bezahlen?
    Einschüchterung, Angst machen: Das war Herrndorffs Taktik. Es hatte nicht gewirkt, allerdings war es dem Chefinspektor gelungen,
     ihn zu verunsichern, kein Wunder bei einem Mordvorwurf. Johannas Eindruck war richtig gewesen, obwohl ihrer beider Einschätzungen
     in Bezug auf Menschen immer weiter auseinander drifteten. Ihre Geschäftspartner tatsächlich für Partner zu halten war noch
     ihr kleinster Irrtum, Feinde für Freunde zu halten war schon schlimmer.
    Herrndorff war alles andere als ein Freund. Er war eitel und besserwisserisch, hatte eine gepresste Stimme und war aufgeblasen,
     sein Aftershave war penetrant. Und er benahm sich, als träte er vor Publikum auf. Wieso hatte der zweite Mann im Raum, den
     Carl am Tag des Mordes gesprochen hatte, dieser Alois Fechter, kein Wort gesagt und nur auf seinem Stuhl neben der Tür gekippelt?
     Carl hatte fast den Eindruck gewonnen, dass er Herrndorff intensiver beobachtet |176| hatte als ihn. Oder waren das die Wunschvorstellungen des Schwächsten in der Runde? Wo war der Inspektor geblieben, der die
     Schritte des Mörders in der Kellerei nachgeahmt hatte? Herrndorff hatte sich, seinen unsinnigen Fragen nach zu urteilen, dort
     nicht einmal umgesehen. Er war auf einen schnellen Abschluss des Falles aus. Um sich mit den Federn des Erfolgs zu schmücken?
     Nicht mit meinen, dachte Carl, er würde nicht als Jagdtrophäe an der Wand enden, ausgestopft, präpariert   ... Waidmanns Heil. Niemals! Glaubte dieser Inspektor tatsächlich, dass er es gewesen war? Carl hatte den Eindruck, dass Herrndorff
     gar nicht an der Aufklärung des Falls interessiert war. Das beunruhigte ihn.
    Irgendwann während des Verhörs, als er mit Vorwürfen bombardiert worden war, hatte Carl doch an sich gezweifelt. Sein Gegenüber
     hatte versucht, Vermutungen als Tatsachen hinzustellen: »Sie hatten genügend Zeit, die Tote entsprechend hinzulegen und sich
     die Hände zu waschen.« Der Inspektor unterstellte ihm ein Mordmotiv   –»sie hat Sie zurückgewiesen«–   und versuchte, eine lückenlose Kette

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