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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Festung um. Das war nicht sein letzter Besuch gewesen, so viel war sicher.
     Der Inspektor brauchte einen Täter. Jedes Wort, jede Aussage hatte der Mann so hingedreht, dass es gegen ihn sprach. Es war
     ein Fehler gewesen, den Fall des Internatsschülers zu erwähnen, der vom Gerüst gestürzt war.
    »Ach, Sie wissen davon!?«, hatte Herrndorff süffisant gesagt. »Gut vorbereitet, Respekt. Seit wann sind Sie im Burgenland |179| ? Soweit ich im Bilde bin, erst vier oder fünf Tage. Aber Frau Sandhofer ist nicht ohne Obduktion eingeäschert worden. Sie
     wurde genauestens untersucht   ... «
    »   ... auf meine Veranlassung hin!«, hatte Carl ihn unterbrochen. »Ich habe die Polizei auf ein Gewaltverbrechen aufmerksam gemacht,
     ich!«
    Herrndorff hatte nur gelangweilt das Gesicht verzogen. »Eben, Herr Breitenbach, sehr geschickt«, hatte er anzüglich bemerkt.
     »War doch klar, dass wir früher oder später darauf kommen. Sie müssen sich intelligentere Finten ausdenken, um mich in die
     Irre zu führen.«
    Hatte der Inspektor an der Wand tatsächlich flehend die Augen zur Decke erhoben, oder war das Einbildung gewesen? Er hatte
     weiter gekippelt und geschwiegen.
    Dem Autopsiebericht und der Spurensicherung nach war Maria mit einem Stück Holz erschlagen worden, dann hatte man sie rückwärts
     von der Empore geworfen, damit es nach einem Unfall aussah, und sie entsprechend hingelegt. Grausam und dilettantisch. Die
     Polizei hatte das Grundstück noch einmal abgesucht, die Tatwaffe blieb verschwunden. Hatte der Cousin Maria erschlagen, wie
     es die Winzerinnen vermuteten? Wenn man davon ausging, wem der Mord nutzte   ... Richard war jetzt der Boss auf dem Weingut.
    Im Vorbeifahren leuchteten zwischen den Weingärten zu seiner Rechten die großen Sonnenblumenfelder. So strahlend und schön
     der Anblick war, ihn berührte er kaum. Vor wenigen Tagen hatte er sich vor dem Fernseher über die Fahrer der Tour de France
     gewundert, die genauso teilnahmslos durch die Landschaft gesaust waren wie jetzt er, nur ihr Ziel im Sinn, den Etappensieg.
     Musste man das Ziel aus den Augen lassen, um zu verstehen, wo man sich gerade befand? Wo befand er sich denn gerade?
    Er hielt, nahm den Helm ab, hängte ihn an den Lenker und schüttete die nächste Flasche Wasser in sich hinein. Waren sie alle
     gedopt? Der Chefinspektor hatte einen schwarzen Kaffee |180| nach dem anderen in sich hineingeschüttet. Er selbst trank neuerdings eine ganze Flasche Wein, um schlafen zu können. Johanna
     dopte sich mit Geschwindigkeit beim Autofahren und Surfen und nahm irgendwelche Pillen oder Pülverchen zum Muskelaufbau, und
     im Winter quälte sie sich in einer Muckibude. Er wusste, dass viele Werke der Literatur unter dem Einfluss von Koks und Marihuana
     zustande gekommen waren. Und Flaubert, einer seiner Lieblinge, hatte der nicht mit dem Roman ›Salambo‹ seinem bürgerlichen
     Publikum eine »gehörige Dosis historischen Haschischs« verabreichen wollen? Er wird die Wirkung gekannt haben, genau wie die
     Kollegen Baudelaire und Rimbaud. Man tat es, aber sprach nicht darüber, höchstens mit Eingeweihten. Gestern erst, mit diesem
     Frank Gatow beim Heurigen oder Buschenschank, hatte er die Wirkung des Alkohols erlebt. Je mehr getrunken wurde, desto lauter
     war es geworden, bis auch sie sich schreiend hatten verständigen müssen. Dabei waren Österreicher lange nicht so impulsiv
     wie Gatows Italiener.
    Wie waren die Österreicher wirklich? Carl hatte nicht den geringsten Schimmer. Außerdem waren Burgenländer sicher anders als
     die Steyrer oder Wiener, wie der Ekel-Inspektor. Carl kam sich vor, als tastete er sich wie ein Blinder durch den Nebel. Was
     verstand er von dem, was gesagt wurde? Man saß als Deutscher dem Trugschluss auf, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Jedes
     Wort hatte im jeweiligen Land seine eigene Bedeutung, jedes einen anderen Sinn, die Betonung gab ihm das Gewicht. Auf den
     Kontext kam es an, auf den Zusammenhang, in dem das Wort gesagt wurde, was davor ausgesprochen worden war und was folgen würde.
     War denn Sprache nicht der Ausdruck eines gemeinsamen Lebens, kollektiver Erfahrung?
    Das hatte er in Portugal begriffen. Zu Beginn seines Studiums war die Palme für ihn sehr exotisch gewesen, der Traum vom Süden.
     Nach zwei Semestern in Coimbra war sie lediglich ein Baum. Schade eigentlich. Der Park in Deutschland |181| war ein Areal, wo Kinderwagen herumgeschoben wurden, aber in London lebte man im

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