Verschwörung beim Heurigen
dass die besonders alkoholischen Weine
länger dekantiert werden mussten.
Nach der Verkostung kam der übliche Rundgang durch den Keller, der Carl viel zu schnell »durchgezogen« wurde, aber die Gäste
von der Insel hatten schon an die fünfhundert Keller auf der ganzen Welt gesehen, deshalb gingen sie rasch wieder ans Tageslicht.
Auch für die Preisverhandlungen wurde Carl gebraucht, man diskutierte Lieferbedingungen und Transportformalitäten. Die Briten
hatten bislang mit keiner Miene erkennen lassen, ob ihnen die Weine nun gefielen. Deshalb war Hermine genauso überrascht wie
Carl, als ohne großes Feilschen drei gemischte Paletten bestellt wurden.
Kaum waren die Engländer in ihren Wagen gestiegen, fiel Hermine Carl um den Hals. »Großartig, Carl, ich darf dich doch duzen,
oder?«. Sie hob drohend den Zeigefinger. »Aber du hast nicht immer genau übersetzt, das habe ich gemerkt.«
Es stimmte, er hatte nicht nur übersetzt, sondern mitgeredet und sich verdammt gut dabei gefühlt, besser und freier als nach
den sonstigen Besprechungen.
»Einfach super hast du das gemacht«, sagte Hermine begeistert, »du hast dir eine große Kiste Wein verdient. Ich habe ein paar
ganz besondere Flaschen ... «
Bald darauf kam sie mit einer 12er-Kiste wieder. Sie stellte sie auf den Tisch, als wäre sie federleicht. »Eine Auswahl meiner
besten Jahrgänge!« Was sie geradezu euphorisierte, war der erste Kontakt auf der Britischen Insel. Die internationalen Kontakte
begeisterten sie, die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg und dass völlig unbekannte Menschen in einem anderen Land ihre
Weine tranken und genossen. Ihre Firma wuchs, das war faszinierend, sie entwickelte sich, Hermine machte gern Geschäfte. Es
war nicht das Geld, es war das Ganze, die Idee, die dahinterstand. Auch vom Wein hatte sie eine Idee, zuerst nur eine vage
Vorstellung |227| , sie erdachte sich einen Geschmack. »Ich kann ihn anfangs nicht einmal beschreiben – und den dann hinzukriegen, zu wissen,
was fehlt, was anders gemacht werden muss.« Als Tochter eines Winzers, die auf diesem Weingut aufgewachsen war, und als Ehefrau
eines Kellermeisters hatte sie allerdings das nötige Wissen und verfügte über die entsprechende Erfahrung.
Den Wein lehnte Carl ab, was Hermine nicht akzeptierte –» ... ich bringe ihn dir nach Purbach ... «– stattdessen sollte sie ihm alles sagen, was sie über den Bau der Autobahn und Marias Rolle dabei wusste.
»Das eine schließt das andere nicht aus«, antwortete sie beim Aufräumen. »Uns hier, auf dieser Seite des Sees, geht das genauso
an, wir sind zwar nicht in unmittelbarer Nähe der geplanten Trassen, aber der Wind weht den Dreck her, die Abgase sowie den
Lärm.«
»Wollen sie mehrere Autobahnen bauen?«, fragte Carl ungläubig.
»Schau nicht so entsetzt, nein, es sind allerdings drei Trassen im Gespräch. Es geht um die Verbindung von Bratislava nach ... « Hermine dachte einen Augenblick nach. »Warte, ich komme gleich wieder. Ich glaube ... «
Fünf Minuten später kam sie mit einer Karte vom Weinwerk Burgenland zurück, Carl erinnerte sich an die Vinothek auf der Hauptstraße
in Neusiedl, eine Art Kulturwerkstatt, die alle wichtigen Weine führte, Frank Gatow und er waren dort auf der Suche nach dem
Café vorbeigekommen.
»Sie ist bereits eingezeichnet, und gebaut wird auch schon, erst einmal an dem Teil, der Bratislava, also die Slowakei, mit
Parndorf verbindet.«
Wenn Carl sich jetzt noch den Teil dazudachte, den er auf der Karte der Ungarn gesehen hatte, dann würde die Autobahn von
der Slowakei über Parndorf am Neusiedler See entlang bis nach Eisenstadt führen.
Hermine bestätigte seine Annahme: » ... und noch weiter |228| bis nach Wiener Neustadt und runter nach Süden, nach Ungarn und Slowenien. Wer davon profitiert, ist dafür, wer dagegen ist,
protestiert. Und die sich nicht für betroffen halten, schweigen, wie immer. Nur nicht anstrafen, heißt es bei uns, nirgends
anecken, würdet ihr sagen, und hoffen, dass man ungeschoren durchkommt. Wir am See haben nichts davon, im Gegenteil, wir müssen
zahlen. Wer hier wohnt und nach Eisenstadt zur Arbeit muss, hat Maria ausgerechnet, zahlt im Jahr dann 1200 Euro Maut. Ein toller Vorteil. Da bleib ich lieber gleich auf der B 50.«
»Und was hatte Maria damit zu tun?«
»Sie war dagegen, beinhart, die Gute. Es schadet unserem Wein, es schadet der Landschaft, der
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