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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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meisten gekauft«, sagte das Filmsternchen und gewährte neue Einblicke.
    Mit dem ersten Satz hatte sie bereits alles vergeigt. Meistgekauft war eines der dümmsten Argumente überhaupt. »Österreichs
     wichtigste Traubensorte, ertragreich, spät reifend, trotz dem trocken, ein harmonischer Wein, mit feiner Säure und zartem
     Aroma. Sehr süffig. Man trinkt ihn gern beim Heurigen. Er passt zu Fleisch und Geflügel, auch zu Fisch und Krustentieren,
     Gemüseaufläufen.« Also zu allem? Da begegnete sie Carls Blick und schwieg.
    Der Kommentar ist so vielsagend wie die Rückenetiketten der Flaschen im Supermarkt, dachte er, und wenn der Grüne Veltliner
     zu allem passt, dann ist es auch egal, ob man ihn trinkt. Er schob das Glas weg. Ein Anpasser, der allen gefallen will. Das
     geht nicht, ohne die eigene Art aufzugeben.
    Der Nächste war ein Sauvignon blanc vom letzten Jahr. Carl steckte die Nase ins Glas und roch nichts, zumindest nichts, das
     für ihn definierbar war. Ihm war der Wein zu fruchtig, die Aromen waren zu konzentriert, exotisch, etwa Paprika? Wie sollte
     Paprika in den Wein kommen? Etwas Grasiges meinte er herauszuriechen und notierte es, auch Kräuter hätten es sein können.
     Er hätte gern Maria dazu gehört.
    Er steckte die Nase noch tiefer ins Glas. Der Duft erinnerte Carl daran, wie Johanna gestern gerochen hatte. Sie roch gewöhnlich
     nach Haarfestiger, nach Shampoo, Seife, ihr Haar nach Zigarettenqualm, wenn sie von einem Geschäftsessen kam und in letzter
     Zeit immer weniger nach sich selbst, dafür nach Parfüm und teuer. Aber gestern – das war ein anderer Geruch gewesen. Es war
     nicht der Wein, den sie getrunken hatte, das hätte er gemerkt. Es musste etwas anderes gewesen sein.
    Sauvignon blanc. »Es ist ein reifer Wein, goldgelb, wir lesen spät, Stachelbeere, gelber Paprika, äußerst reintönig, komplex,
     lebhaft und frisch in der Säure   ... « Die Hostess |234| sprach nicht, der Raum zog ihr die Worte aus dem Mund und ließ sie verschwinden.
    Hatte Johanna nach Salz gerochen? Kann man nach Salz riechen? Nein. Man roch auch das Meer, es roch nach Tang und   ... Fisch? Nach Treibholz und Seesternen, nach angetriebenen Muscheln und dem Schaum auf den Wellen.
    War Johanna auf ihrem Surfbrett? Was waren das für Leute – ihre Surferclique, von der er bislang keinen einzigen zu Gesicht
     bekommen hatte? Ich werde hinfahren und mir die
coolen
Freaks in
Neos
und
Boardshorts
geben, affengeile Kids in Neopren-Anzügen und knielangen Schlabberhosen, die sie darüber zogen. Für die bin ich sicherlich
     ein hilfloser Alter, der dumm im Wege steht. »Ob sie jetzt schon zum Sterben herkommen?«, hatte einer von ihnen mal bei seinem
     Auftauchen gefragt. Dann war Johanna für sie auch nur eine alte Kuh! Aber so hatte der Blonde sie neulich am Hafen nicht begrüßt.
    Er würde heute noch zu der Surfschule fahren. An der Kreuzung in Breitenbrunn, neben dem wuchtigen Kirchturm, hatte er einen
     Wegweiser gesehen. Das Rumstehen auf dem Brett und sich an einer Stange festzuhalten sah nicht schwierig aus, aber er war
     unbegabt, hatte es nach zwei Stunden linkischer Versuche aufgegeben. Am Gleichgewichtssinn mangelte es keineswegs, mit dem
     Rad nahm er jede Ecke und jeden Bordstein freihändig. Aber Johanna hatte der Nerv gefehlt, ihm das Surfen in Ruhe zu zeigen.
     Mit aufkommendem Wind war sie auf ihr Brett gestiegen und verschwunden.
A Santa da casa nao faz milagre.
Dieser portugiesische Satz war auf Deutsch genauso wahr: Die Hausheilige vollbringt keine Wunder.
    Achtlos schüttete Carl den Rest des Sauvignon blanc in den metallischen Restweinbehälter. Auch der war, wie jedes andere Einrichtungsstück,
     äußerst edel. Alles harmonierte, die Wandverkleidung mit den mannsgroßen Spiegeln und den bequemen Sesseln. Die Bilderrahmen
     und Kerzenständer |235| passten zu den übrigen Accessoires, und das Treppengeländer entsprach in Design und Material dem Handlauf vor dem Tresen.
     Die Kellerei musste ein Vermögen gekostet haben. Alles war neu, hier baute nichts auf Vorhandenem auf, weder auf einer zum
     Teil fünfhundertjährigen Bausubstanz noch auf barocken Stilelementen. Thomas Thurn hatte total mit der Vergangenheit gebrochen.
    Die Hostess, die so aussah, als träumte sie von besseren Zeiten, füllte sein Glas, ohne es auszuspülen.
    »Da vermischt sich Sauvignon blanc mit dem neuen Wein, junge Frau«, sagte Carl freundlich, schwenkte den Wein, benetzte dabei
     die gesamte

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