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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Innenfläche des Glases, schüttete ihn unter ihrem entsetzten Blick aus und hielt ihr das Glas am ausgestreckten
     Arm hin. »Jetzt hätte ich gern diesen Wein wieder.«
    »Sie müssen jede Probe bezahlen.«
    »Das kann ich mir gerade noch leisten.« Carl senkte das Glas und sah den Chardonnay sonnengelb hineinfließen. Fast automatisch
     schwenkte er das Glas und führte es zur Nase. Ein süßlicher und fruchtiger Duft kam auf ihn zu, ziemlich opulent, viel zu
     wuchtig für einen Weißwein, dafür blieb die Säure mehr im Hintergrund.
    »Den verkaufen wir am meisten   ... «
    Er senkte den Kopf erneut über das Glas: Tropische Früchte? Ja. Birne? Schon möglich, und Honigmelone, und sogar etwas Zimt?
     Auch, aber alles so deutlich, dass es aufdringlich wirkte. Dieser Wein überdeckte etwas, er war in eine bestimmte Richtung
     gezogen, wirkte fast parfümiert und bombastisch, aber dann blieb er weg   ...
    »Einen Moment bitte –«
    Carl setzte das Glas ab, starrte es an, versuchte sich zu erinnern und nahm es wieder auf. Er schnupperte erneut. Den Duft
     kannte er, er roch wieder, erst durchs linke, dann durchs rechte Nasenloch. Natürlich konnte man sich an Gerüche erinnern.
     Dann fiel der Groschen.
    |236| »   ... er will was sein, was er nicht ist, verstehen Sie? Er vergeht schnell und macht – wie soll ich sagen – einer gewissen
     Leere Platz.«
    Diese Worte klangen wieder in seinem Kopf, der Unbekannte hatte sie ausgesprochen, inzwischen als Frank Gatow bekannt, bei
     jener denkwürdigen Verkostung im Schloss Esterházy.
    Das war der Blender. Kein Zweifel! Noch nie war er sich bei einem Wein so sicher gewesen wie bei diesem, er hatte sich allerdings
     auch noch nie so ausführlich mit einem Wein beschäftigt. Er nahm die Nase vom Glas, stierte die schnuckelige Hostess an, die
     von dem komplizierten Gast auf Abstand gegangen war, und nickte. »Das ist er!«
    Das Mädchen verstand nichts und lächelte.
    Der Blender. Welch merkwürdiger Zufall, dass er gerade hier mit Frank Gatow aufgekreuzt war. Thomas Thurns Kellerei stand
     nicht auf seinem Plan. Er sah sich um, sah die Umgebung unter ganz anderen Gesichtspunkten, erinnerte sich an den Auftritt
     des Winzers. Alles passte: der Mann, die Architektur, die Inneneinrichtung und der Wein. Ein harmonisches Blendwerk, gekonnt
     arrangiert. Thomas Thurn war kein Winzer, er war ein Imagebastler. Und Carl dachte daran, was Marias Freundin Karola gesagt
     hatte: »Es will gekonnt sein, einen Blender zu machen!«
    Die Rotweine interessierten Carl nicht mehr. Als er seiner Unaufmerksamkeit gewahr wurde, konzentrierte er sich wieder, er
     musste Frank davon berichten, jedoch nachdem er probiert hatte. Bei den Rotweinen roch Carl das Barrique, aber nicht die Frucht.
     Kaum dass er den Blauburgunder vom Blaufränkischen unterscheiden konnte, das Aroma vom Eichenholz kleisterte alles zu. Beide
     Weine wirkten opulent und mächtig, der eine etwas marmeladiger, erdiger, er vermutete einen intensiven Extrakt, aber nach
     dem Schlückchen, das er sich genehmigte, war der Geschmack sofort weg. Kein langer Abgang, fast wie abgerissen. Jetzt begann
     es Carl |237| Freude zu machen, die Nuancen festzustellen. Er bestellte einen dritten Roten, eine Cuvée aus Blaufränkisch und Cabernet Sauvignon,
     und ließ die Gläser vor sich aufgereiht stehen. Dieser Wein war der angenehmste von allen, denn danach kam ein mager gearteter
     Pinot Noir, der mit seinem hohen Alkoholgehalt von 14,5   Volumenprozent ein Gewicht vortäuschte, das er nicht besaß.
    Als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden, zuckte Carl, als Gatow ihm die Hand auf die Schulter legte. »Angst vor Mördern?«,
     fragte der Fotograf leise, »oder hast du die junge Dame zu gierig angestarrt? Die ist dafür da, fürs Hinsehen.« Er schwang
     sich neben Carl auf den Barhocker. »Mir auch ein Glas«, sagte er laut.
    »Der Herr möchte als Erstes Ihren Chardonnay probieren«, fügte Carl hinzu und grinste. »Du wirst was erleben.«
    »Das habe ich schon. Wir sollten bald verschwinden. Der Mann geht mir auf den Geist. Er quatscht, als hätte er das Weinmachen
     erfunden. Ein totaler Egomane. Außerdem viel zu fotogen. Aber solche Typen gibt’s bei uns auch, zuhauf.« Frank Gatow griff
     nach seinem Glas.
    Carl belauerte ihn, blickte ihm vom Glas ins Gesicht und wieder aufs Glas.
    »He, was starrst du mich an?«, fragte Gatow verunsichert. »Ist was mit dem Wein?« Er sah hinein, schnüffelte, hob den Kopf,
    

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