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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht, was alles machbar ist! Stell dir vor,
     alle würden die Wahrheit sagen, gnadenlos. Es wäre die Hölle. Wir würden verzweifeln – denk mal dran, was du mir über deine
     Frau und dich erzählt hast.«
    Carl schwieg peinlich berührt. Er ging durch einen Torbogen voraus, gebildet von zwei überdimensionalen, sich überlappenden
     Buchstaben, eine Art doppeltem T, es stand für Thomas Thurn. Ein bisschen affig, fand Carl und beobachtete Gatow, um dessen
     Reaktion zu beobachten, aber der Fotograf drängte an ihm vorbei in den dunklen Gang, der in |231| den Hügel mit dem Fass führte. Licht fiel aus den Schaukästen mit den Weinflaschen des Winzers, auf den Etiketten wiederholte
     sich das doppelte T. »Corporate Design«, murmelte Gatow, »du kommst nicht daran vorbei.«
    Sie gelangten zu einer hölzernen Treppe, auf ihr hinauf ging es ins Licht und in die Mitte des kreisrunden Verkostungssaals.
    »Architektur als Teil des postkapitalistischen Unterhaltungsprogramms«, knurrte Gatow mit einem bösen Blick in die Runde.
     »Ich kann’s bald nicht mehr sehen.«
    »Schlecht für Puristen, nicht wahr?«, meinte Carl.
    »Die sollen vernünftige Weine machen«, erwiderte Gatow, »das ist alles.«
    »Und was würdest du dann fotografieren?«
    Gegenüber der großen geschwungenen Fensterfront standen Stehtische, an der Wand zog sich ein Tresen, sämtliche Barhocker,
     gestützt auf eine Art T-Träger , waren besetzt. Carl schaute durch die Fenster auf ein nahe liegendes Weingut, dessen Betreiber weniger gut mit E G-Millionen hatte umgehen können. Er fand die neue Anlage sehr interessant, harmonisch und geschmackvoll, nur eines störte ihn, es störte
     ihn von Minute zu Minute mehr – es war die Akustik, je länger er sich hier aufhielt, desto unangenehmer wurde sie. Die Worte
     wurden einem förmlich aus dem Mund genommen, noch bevor man sie gesagt hatte, und an einen unbekannten Ort abgeladen, gab
     es einen Friedhof der Worte?
    Gatow empfand das nicht als so störend, er ging zur Bar und sprach eine der jungen Hostessen hinter dem Tresen an, die für
     Carls Geschmack zu stark geschminkt war und in deren Ausschnitt ein Knopf zu viel offen stand. Die Blicke der anwesenden Männer
     galten den Frauen und nicht dem Wein. Diese Kellerei war einzigartig, und Gatow drückte seinen Widerwillen dadurch aus, dass
     er mit dem Kamerakoffer fast die Weingläser vom Tresen fegte, als er seine Karte daneben legte. Als Carl seinen Namen nennen
     wollte, fuhr |232| ihm der Fotograf über den Mund: »Ein Kollege von mir, Weinexperte, Klaus   ... Stuttgarter, vom Übersetzer-Weinclub. Wir arbeiten zusammen.« Er erwiderte Carls erstaunten Blick, als wollte er sagen:
     Ich weiß, was ich tue!
    Carl schluckte. Bevor er Gatow fragen konnte, was er damit beabsichtigte, fragte der nach dem Winzer Thomas Thurn. »Ich soll
     ihn fotografieren.«
    »In solchen Läden muss man so arrogant tun, sonst nehmen sie dich gar nicht wahr«, flüsterte er, als das Mädchen eingeschüchtert
     (oder beeindruckt?) verschwand, um den Chef zu holen. »Alles Effekthascherei. Ich sehe mir den Laden an, und du kümmerst dich
     um die Weine,
va bene

    Da kam Thomas Thurn, der einzige Winzer, den Carl bisher im Anzug gesehen hatte, eilig, wichtig, das Mobiltelefon am Ohr.
     Groß und schlank, hellgrauer Flanell und schwarzes Hemd. Ein markiges Gesicht, ein hartes Lächeln, kurzgeschnittener Bart,
     blendend weiße Zähne. Das Mädchen flüsterte mit ihm, sah zu den beiden neuen Besuchern hin, Thomas Thurn wandte sich Frank
     Gatow zu, aus dem Erstaunen wurde etwas, das ein Theaterbesucher als freudige Überraschung interpretiert hätte, und der Star-Winzer
     begrüßte ihn wie einen alten Bekannten. Auch Carl bekam ein zähnefletschendes Jacketkronen-Lächeln ab, ihm wurde eine der
     Hostessen zugewiesen, der Thurn das Wort »wichtig« zuraunte, während der Winzer mit Gatow im Arm plaudernd die Treppe hinunterstieg.
    Hoffentlich sind die Weine besser als der Auftritt, dachte Carl. Gatow würde für die Aufnahmen mindestens so lange brauchen
     wie bei Karola in Mörbisch, wo er Frank kennen gelernt hatte. Oder die beiden kriegten sich in die Wolle, bei Gatow durchaus
     vorstellbar. Carl konnte sich Zeit zum Probieren nehmen und musste für niemanden übersetzen. Trotz dem, die Akustik, er mochte
     in diesem Raum nicht sprechen, das Mädchen konnte ihn kaum dazu bewegen zu sagen, was er zuerst probieren wollte.
    |233| »Der Grüne Veltliner wird am

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