Verschwörung im Zeughaus
seinen Arm losließ, blickte er sie wütend an. Einen langen Moment starrten die beiden einander in die Augen, dann ließ Tilmann den Arm sinken und schob das Schwert zurück in die Scheide.
Adelina atmete auf.
«Guten Tag miteinander», grüßte Overstolz, nachdem die Gefahr nun gebannt war, mit einer Stimme, die auf beste Laune schließen ließ. In Tilmanns Richtung verbeugte er sich knapp. «Hauptmann Greverode, wie ich sehe, seid Ihr bester Gesundheit. Das freut mich, vor allem, wenn man bedenkt, was Clais van Dalen widerfahren ist.»
«Bester Gesundheit?» Tilmanns Stimme nahm das für ihn typische Donnergrollen an. «Die habe ich besessen, bevor man versuchte, mich in Schlachtabfälle für die Kotzbank zu verwandeln.» Er wandte sich Mira zu. «Was fällt Euch ein, ihn mit hierherzubringen?»
Bevor Mira antworten konnte, sprach Overstolz erneut. «Macht der edlen Jungfer keine Vorwürfe, Greverode. Ich habe sie gewissermaßen genötigt, mich zu Euch zu führen. Und glaubt mir, das war nicht so einfach, wie es klingt. Die Notwendigkeit bestand jedoch, denn wenn wir nicht alsbald Licht in diese Angelegenheit bringen, werden alle Spuren verwischt sein und Ihr notgedrungen als Bauernopfer herhalten müssen, Hauptmann.»
«Diese Angelegenheit?» Misstrauisch maß Tilmann den Rentmeister von Kopf bis Fuß.
«Ihr könnt ihm vertrauen», meldete sich Mira nun doch zu Wort. «Ich habe mich lange mit Dietmar unterhalten, und er hat bestätigt, was Herr Overstolz zu Frau Adelina gesagt hat. Allerdings kam der Rentmeister früher ins Kontor zurück, als ich dachte, und …»
«Und da habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt», ergänzte Overstolz lächelnd. «Mir war nämlich sofort klar, welche Bewandtnis der Besuch der edlen Jungfer in meinem Hause haben musste.»
Mira nickte. Eine leichte Röte hatte sich auf ihre Wangen gestohlen. Tilmann musterte sie für einen langen Moment schweigend und mit gerunzelter Stirn, dann wandte er sich an Overstolz und den Gewaltrichter. «Ich soll Euch also vertrauen.»
«Das müsst Ihr, denn anders kommen wir auf keinen grünen Zweig», bestätigte der Rentmeister.
Reese räusperte sich. «Es wäre zu Eurem und unser aller Besten, wenn wir uns gleich den dringlichen Themen widmen würden. Der Rentmeister hat mich gebeten, ihm in dieser Angelegenheit Rat zu geben, da er mit dem Amt des Gewaltrichters nicht vertraut ist.»
«Ich dachte, Ihr dürft Euch nicht einmischen», wunderte sich Adelina.
Reese nickte vage. «Offiziell darf ich das nicht, das ist richtig. Aber unter den gegebenen Umständen ist wohl allen Seiten daran gelegen, für rasche Aufklärung zu sorgen. Deshalb hat mich Thönnes als Ratgeber bestellt, das kann ihm auch der Stadtrat nicht verbieten.»
«Also gut.» Neklas machte eine einladende Geste, und die Männer setzten sich an den Tisch. Adelina legte den Brotteig in eine große Schüssel und beeilte sich, den Tisch von den Mehlresten zu säubern. Derweil holte Mira Becher und Krüge mit Bier und Wein herbei.
Griet setzte sich ebenfalls dazu, da sie, wie sie Adelina versicherte, die Apotheke vorsichtshalber abgeschlossen hatte. Adelina ließ sich neben Neklas nieder und ihren Blick über die versammelten Menschen gleiten. Dieses Treffen kam schon einer Geheimversammlung gleich. Sehr wohl fühlte sie sich bei dem Gedanken nicht, hatte aber keine Zeit, länger darüber nachzudenken, da der Rentmeister schon wieder das Wort ergriff.
«Nach allem, was ich inzwischen von Georg und der jungen Maid hier erfahren habe, scheinen wir es mit einer großangelegten Verschwörung gegen die Stadt Köln zu tun zu haben.» Er blickte bedeutsam in die Runde.
«Das ist ja reizend.» Tilmann schoss einen zornigen Blick auf Mira ab, den diese gefasst erwiderte. «Ihr tragt also nicht nur die Kunde über meinen Aufenthaltsort in die Welt hinaus, sondern breitet auch meine übrigen Angelegenheiten vor Fremden aus.»
Mira fuhr auf. «Das tue ich ganz und gar nicht! Ich habe erst davon erzählt, als ich sicher sein konnte, dass der Rentmeister auf unserer Seite ist.»
«Auf unserer Seite? Und das habt Ihr herausgefunden, indem Ihr Euch mit dem Grünschnabel Dietmar unterhalten habt ?» Die letzten beiden Worte betonte er besonders spöttisch.
Overstolz hüstelte und zog damit Tilmanns Aufmerksamkeit auf sich. «Tut ihr kein Unrecht, Hauptmann. Sie hat mir mehr Fragen gestellt, als dem Vogt in seinem ganzen Leben einfallen würden, bevor sie überhaupt bereit war, mit
Weitere Kostenlose Bücher