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Verschwörung im Zeughaus

Verschwörung im Zeughaus

Titel: Verschwörung im Zeughaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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einen Stein aus dem Hof. Und du, Mädchen, hältst den Kerl fest, damit er uns nicht von der Trage rutscht.»
    Mädchen? Irritiert vergaß er für einen Moment seinen Schmerz und versuchte, den roten Schleier zu vertreiben. Ein blonder Haarzopf baumelte vor seinem Gesicht. Was hatte sie hier zu suchen? Das fehlte ihm noch. Er versuchte zu protestieren, als sie ihn an den Schultern festhielt, doch kein Wort kam über seine Lippen. Ihre blauen Augen erschienen ihm riesig in ihrem feingeschnittenen Gesicht. Sie starrte ihn an. Nein, sie blickte überraschend besorgt. Zumindest fiel sie beim Anblick seiner Wunden nicht gleich um.
    «Ist er noch wach? Wie geht es ihm?»
    Plötzlich verdoppelte sich das Gesicht vor ihm. Ein zweites paar blaue Augen richtete sich auf ihn. Noch mehr blondes Haar. Phantasierte er? Hatte der Schmerz ihn irre gemacht? Halt, nein, das zweite Paar Augen war heller, das blonde Haar unter der Haube ebenfalls – fast weiß sogar. Die Frau des Chirurgen, Marie Kornbläser. Die verstand wenigstens etwas von Krankenpflege. Verdammt, wie er das hasste! Er konnte sich nicht rühren, ohne zu riskieren, dass die Wunden noch weiter aufrissen und sein wertvolles Blut, sein Lebenssaft, in Strömen aus ihm hinausfloss. Beim Gedanken daran wurde ihm übel.
    «Wir binden ihn fest», bestimmte Jupp. «Anders geht es nicht. Aber ich weiß immer noch nicht, wie wir ihn durch die Luke und die enge Stiege hinab befördern sollen.» Seiner Stimme war die Skepsis anzuhören.
    «Werde … gehen», brachte Tilmann einigermaßen deutlich heraus.
    Prompt wandten sich auch die Gesichter des Chirurgen und seines Schwagers ihm zu.
    «Was sagt Ihr da?», fragte Jupp. «Ihr wollt laufen? Das macht mir mal vor in Eurem Zustand. Halt, nein, du liebe Zeit! Vergesst das sofort wieder, Hauptmann. Mira, halt ihn fest!»
    «Finger weg», krächzte er und ärgerte sich, dass seine Stimme so wenig Autorität innewohnte.
    «So liegt doch still, Hauptmann Greverode!», schimpfte Mira. «Wenn Ihr derart herumzappelt, kriegen wir Euch nie in den Keller hinunter.»
    Er hustete. «Zappele nicht.»
    «Und wie Ihr das tut! Seht Euch das an, die Seite blutet auch wieder. Nein, jetzt bleibt endlich ruhig liegen!» Sie drückte ihn an den Schultern nach unten. War er so schwach oder sie kräftiger, als er gedacht hatte? Und wie kam sie dazu, ihm Anweisungen zu geben?
    Er spürte, wie er an Füßen, Beinen und Brustkorb mit ledernen Gurten an die Trage gefesselt wurde. Ärgerlich verdrehte er die Augen. Konnte er wirklich nicht laufen? Als wenig später Jupp und Ludowig die Trage anhoben, wurde ihm schwindelig. Rasch schloss er die Augen.
    «Vorsichtig!», rief Jupp, dann kippten seine Füße nach unten.
    «Ganz langsam jetzt», wies der Chirurg den Knecht an.
    Tilmann spürte, wie es abwärts ging. Sein Gewicht zog ihn zusätzlich nach unten. Die Wunde am Bauch stach wie tausend Teufel. Übelkeit und noch mehr Schwindel überkamen ihn. Er konnte gerade noch hören, wie Jupp fluchte: «Da haben wir’s. Er verliert die Besinnung. Na, vielleicht ist es besser so. Dann hält er wenigstens still.» Im nächsten Moment hüllte ihn die Dunkelheit ein wie eine weiche Decke.

    Adelina eilte in den Keller, kaum dass Magister van Stijn die Apotheke wieder verlassen hatte. Vorsichtig stieg sie die schmalen Steinstufen in das Gelass hinab, das sie erst vor drei Jahren zufällig unterhalb des Laboratoriums entdeckt hatte. Es handelte sich um einen fast quadratischen Raum, der an drei Seiten von hohen Eichenregalen gesäumt wurde. Eine Tür führte in einen Gang, durch den man bis zu einem alten, vergessenen Beinhaus gelangen konnte. Hinter dem Beinhaus gingen weitere Gänge in die Unterwelt von Köln – alte Ruinen von Römerbauten und -palästen, in denen sich allerlei Gesindel eingenistet hatte. Von ihren Vorfahren war der Raum vermutlich als Vorratskammer genutzt worden, denn Adelina hatte halbverrottete Kisten und Körbe, Zinngeschirr und sogar ein uraltes Weinfässchen gefunden. Die Töpfe, Teller und Becher hatte sie inzwischen in Gebrauch genommen, den Unrat aus den Regalen entfernt. Anfangs hatte sie überlegt, die Kammer ebenfalls für Vorräte zu benutzen, doch dann war das Vorhaben wieder in Vergessenheit geraten.
    Tilmann lag inzwischen auf einer Strohmatratze, die Franziska und Ludowig aus der Gästekammer herbeigeholt hatten. Adelina beugte sich über ihn und fühlte seine schweißnasse Stirn.
    «Er hat Fieber», sagte Jupp. «Und es steigt

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