Verschwörung im Zeughaus
Mira – nicht versehentlich seine Missbilligung zu wecken. Adelina amüsierte sich mittlerweile fast ein wenig darüber, denn sie hatte in den vergangenen drei Jahren festgestellt, dass Tilmann bei weitem nicht so mürrisch und ungnädig war, wie er gern vorgab. Er hatte sich diesen Ruf wohl mit voller Absicht zugelegt, weil es ihm in seiner Stellung zupasskam, wenn alle Welt sich vor ihm fürchtete.
Er war kein einfacher Mensch; sie hatte sich schon oft genug mit ihm angelegt, um das am eigenen Leibe erfahren zu haben. Was sie jedoch stets versöhnlich stimmte, war die freundliche und nachsichtige Art, in der er mit ihren Kindern umging – sowohl mit Colin, der den Onkel regelrecht verehrte, als auch mit der kleinen Katharina. Auch seine Tochter Lucardis behandelte er erstaunlich liebevoll. Anfangs hatte Adelina ihren Augen nicht trauen wollen. Sie hatte vermutet, dass er das Kind bei den Eltern seiner verstorbenen Frau ließ, um so wenig wie möglich mit ihr belastet zu werden. Doch inzwischen wusste sie, dass er so viel Zeit wie möglich mit dem Mädchen verbrachte. Allerdings gab er solche Gefühlsregungen nur äußerst ungern zu und hatte sich ordentlich aufgeregt, als sie ihn darauf anzusprechen wagte.
War Tilmann aufgeräumter Stimmung, gab er sogar einen sehr angenehmen Gesellschafter ab. Eine Unterhaltung mit ihm wurde niemals langweilig, ebenso wie ein Streit mit ihm grundsätzlich dazu führte, dass die Fetzen flogen und Adelina nicht selten übel Lust verspürte, ihm die Augen auszukratzen oder den Hals umzudrehen. Allerdings, so vermutete sie, beruhten diese immer wieder auftretenden Gelüste auf Gegenseitigkeit. Wenn sie eines beide von ihrer gemeinsamen Mutter geerbt hatten, dann ihren Sturkopf.
Plötzlich wurde Adelina bewusst, dass ihre Gedanken gewandert waren. Hatte Griet sie nicht gerade etwas gefragt? Sie hob den Kopf und sah aller Augen auf sich gerichtet.
«Er hat etwas davon gesagt, dass er Clais warnen müsse», antwortete Neklas an ihrer Stelle.
«Von irgendwelchen Beweisen sprach er auch», ergänzte Adelina. «Ich bin ganz sicher, dass er Beweise gesagt hat.»
«Aber Beweise wofür?», fragte Mira ratlos. «Es muss ja etwas ganz Schlimmes sein, denn sonst würde doch niemand dafür einen Mord begehen. Oder zwei sogar, denn bestimmt wollte derjenige auch Hauptmann Greverode umbringen.»
«Wir können nur hoffen, dass Tilmann überlebt», sagte Neklas und goss sich und den anderen von dem Most ein, den Magda in einem großen Tonkrug auf den Tisch gestellt hatte. «Er scheint der Einzige zu sein, der uns diese Fragen beantworten kann.»
«Er hat auch erwähnt, dass er niemandem vertrauen kann», fügte Adelina besorgt hinzu. «Vielleicht haben er und Clais irgendwelche verbotenen Vorgänge entdeckt – möglicherweise im Stadtrat. Wo auch sonst?»
«Aber welche Vorgänge sollten das sein?», hakte Griet nach. «Im Stadtrat wird doch ständig geklüngelt. Das sagst du doch immer, Mutter.»
«Es ist ja auch so», bestätigte Neklas. «Nachdem die neue Stadtverfassung in Kraft getreten ist, haben sich bereits wieder ganz eigene Strukturen gebildet. Die Räte und Bürgermeister wechseln sich in ihren Amtszeiten alle zwei Jahre ab, kaum jemand Neues tritt eines der Ämter an, es sei denn, er erbt es oder macht sich durch irgendetwas besonders verdient. Ich will nicht sagen, dass das schlecht sein muss. Die meisten der Räte sind fähige und erfahrene Männer. Aber es kann einem schon zu denken geben, meint ihr nicht auch?»
«Das erklärt aber noch gar nichts», befand Adelina. «Wer auch immer Clais umgebracht hat – er wollte, dass man Tilmann verdächtigt.»
«Wer sagt denn eigentlich, dass es das Blut des Toten war, das an dem Dolch klebte?», warf Mira ein.
Alle starrten sie verblüfft an.
Sie hob die Schultern. «Der Hauptmann wurde doch auch niedergestochen. Vielleicht war es ja sein Blut, und der Dolch lag nur zufällig dort.»
«Dann hätte er aber doch die Leiche gesehen haben müssen», erwiderte Adelina kopfschüttelnd.
«Nein, nicht unbedingt.» Mira nahm ihren Trinkbecher und nippte daran. «Nicht, wenn man Clais van Dalen erst später ermordet hat. Oder vielleicht war auch er es, der Greverode angegriffen hat.»
«Das ergibt keinen Sinn, Mira», widersprach Adelina. «Clais hatte, soweit wir bisher wissen, ebenso wenig Grund, Tilmann umzubringen, wie umgekehrt. Und Tilmann hat nicht erwähnt, dass er Clais an jenem Abend überhaupt gesehen hat.»
Mira zog den
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