Verschwörung im Zeughaus
hellhörig. Wieder sprachen wir beim Rat vor, doch ohne großen Erfolg. Da sich stets eine Erklärung für die falschen Angaben fand, ließ der Stadtrat die Sache auf sich beruhen. Auch die Schöffen interessierten sich nicht dafür.» Tilmann ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. «Clais und ich wussten, dass etwas vorging, aber wir konnten es nicht beweisen. Also forschten wir weiter, versuchten herauszufinden, wohin die überzähligen und nicht auffindbaren Waffen verschwunden waren und ob es Hinweise gab, wohin die Differenzbeträge der falsch abgerechneten Solde flossen.»
Da er nicht weitersprach, trat Adelina einen Schritt vor. «Und weiter? Habt ihr etwas herausgefunden?»
Noch immer antwortete ihr Bruder nicht. Er wirkte etwas blass, atmete heftiger als zuvor. Seine Finger krampften sich fahrig um den Rand der Decke, die seinen Körper bis zur Brust bedeckte.
«Das lange Sprechen strengt den Hauptmann an», mischte sich Ludmilla ein, die sich in eine Ecke des Kellerraums zurückgezogen hatte. «Vielleicht sollte er lieber eine kleine Pause –»
«Halt den Schnabel, altes Weib!», blaffte Tilmann verärgert. Er schoss zornige Blicke auf die alte Frau ab, musste sich jedoch für den barschen Tonfall sichtlich anstrengen. Fast war Adelina versucht, ihn ebenfalls zu einer Pause zu überreden, doch seine nächsten Worte hielten sie davon ab. «Komm ja nicht auf den Gedanken, mir den Mund verbieten zu wollen.» Er richtete seinen Blick auf Adelina, dann auf Neklas und Jupp, bevor er etwas ruhiger fortfuhr: «Im Stadtrat geht etwas vor, eine Verschwörung. Und sie hat ihren Anfang im Zeughaus genommen.»
«Was für eine Verschwörung?» Interessiert trat nun auch Neklas einen Schritt vor.
Grimmig presste Tilmann die Lippen zusammen, bevor er antwortete. «Vor einiger Zeit wurde der Graf Ailff van Wesel zum Edelbürger Kölns ernannt. Vielleicht erinnert ihr euch noch daran, da es auf dem Alter Markt und dem Neumarkt vor allen Bürgern verkündet worden ist.»
«Natürlich!», rief Mira. «Das war im Februar oder März, nicht wahr? Gab es damals nicht ein großes Fest in der erzbischöflichen Burg?»
Tilmann drehte den Kopf ein wenig, um das Mädchen anzusehen. «So ist es, Jungfer Mira.»
«Und was hat das mit der Verschwörung zu tun?», wollte Meister Jupp wissen. «Es geht doch wohl nicht etwa immer noch um den Groll, den die Adelsgeschlechter von Köln gegen die neue Stadtverfassung hegen? Der Verbundbrief ist jetzt seit fast acht Jahren in Kraft, Zeit genug für die Gemüter, sich zu beruhigen. Ganz abgesehen davon, dass genügend Köpfe gerollt und Verbannungen ausgesprochen worden sind, um der alten Greifenpartei den Garaus zu machen.»
«Mit dem Verbundbrief hat das Ganze nichts zu tun.» Tilmann machte eine wegwerfende Geste, verzog jedoch sogleich das Gesicht, da ihn offenbar ein heftiger Schmerz durchfuhr. «Hier geht es um etwas ganz anderes. Van Wesel hat der Stadt Köln als Gegenleistung für die Edelbürgerschaft Zollfreiheit auf all seinen Ländereien gewährt.»
«Zollfreiheit?» Mira trat neben Adelina und runzelte dabei fragend die Stirn. «Was soll das mit Eurer Angelegenheit zu tun haben?»
Tilmann warf ihr unter zusammengezogenen Augenbrauen einen gereizten Blick zu. «Wenn Ihr mich ausreden lassen würdet, Jungfer Mira, könnte ich Euch das ganz leicht erklären.»
Mira erwiderte seinen Blick nur kurz, drehte dann den Kopf zur Seite und schien Mühe zu haben, eine bissige Bemerkung zurückzuhalten.
Ohne sie weiter zu beachten, fuhr Tilmann fort: «Eine solche Zollfreiheit ist nicht ungewöhnlich und würde vor allem den Kölner Kaufleuten zugutekommen. Der Graf verfügt über ausgedehnte Ländereien, durch die einige sehr beliebte Handelsstraßen führen. Vor allem, wer Richtung Aachen unterwegs ist, dessen Weg führt früher oder später über das Land des Grafen. Clais und ich wurden in den letzten Monaten immer wieder zu diversen Querelen zwischen der Stadt Köln und auswärtigen Adelshäusern gerufen. Auch Überfälle auf Reisende im Kölner Umland, vor allem auf eingesessene Kölner Bürger, hatten wir zu verfolgen. Dabei fiel uns auf, dass gerade auf van Wesels Besitzungen besonders häufig Raubüberfälle stattfinden. Noch auffälliger ist, dass die Opfer solcher Übergriffe meistens Kölner Kaufleute sind.»
«Ihr glaubt also, es besteht ein Zusammenhang zwischen der Zollfreiheitsvereinbarung und diesen Überfällen?», unterbrach ihn
Weitere Kostenlose Bücher