Verschwörung in Florenz
los.
»Ich finde allein den Weg hinaus«, sagte sie und sah ihm angewidert ins Gesicht. »Was seid Ihr doch für ein ekelhaftes Scheusal.«
Sie warf die Tür hinter sich zu, eilte quer durch die Halle zu einem Stuhl, auf den Anselmo oder einer der anderen Diener ihren Mantel abgelegt hatte, und lief zur Haustür. Sie wartete nicht erst darauf, dass ein Diener sich um eine Kutsche kümmerte. Sie wartete nicht einmal darauf, dass jemand sie zur Tür brachte. Sie wollte nur eines – so schnell wie möglich dieses Haus verlassen. Hastig warf sie sich den Mantel über die Schultern und zog die Handschuhe an. Keinen Augenblick länger konnte sie unter diesem Dach bleiben, nicht eine einzige Sekunde. Mit vor Zorn brennenden Wangen lief sie die Stufen hinunter und die Straße entlang. Ein leichter Nieselregen hatte wieder eingesetzt, doch der kam ihr gerade recht. Sie musste nachdenken, in Ruhe ihre nächsten Schritte planen. Cosimo hatte ihr zwar gedroht, doch das würde sie nicht aufhalten. Sie würde schon die Wahrheit über diesen Mann herausfinden. Das war sie Giovanna schuldig. Die Wut beschleunigte ihre Schritte. Natürlich war sie aufgebracht über Cosimo. Sein Gebaren war unverschämt, dreist. Allerdings war sie beinahe noch wütender auf sich selbst. Wenn Cosimo ihr eine andere Geschichte erzählt hätte, Giacomos Worte abgestritten hätte, sie hätte ihm vermutlich sogar geglaubt.
Anselmo betrat gerade in dem Augenblick die Bibliothek durch die Geheimtür neben dem Kamin, als Signorina Anne um die nächste Straßenecke verschwunden war. Cosimo ging vom Fenster zu dem Regal mit der Bibel. Er öffnete das Geheimfach, um nach den Schriften zu sehen, doch sie waren vollständig vorhanden. Er schloss das Geheimfach und legte die Bibel wieder so hin, wie es sich gehörte.
»Sie hat das Geheimfach gefunden, Anselmo«, sagte er. »Sie ist klug, sie hat nichts entwendet. Doch ich bin sicher, dass sie die Übersetzung sorgfältig gelesen hat.«
Anselmo wurde bleich.
»Aber Cosimo, was sollen wir jetzt tun?«
»Die Frage ist wohl eher, was wir tun können , mein Freund«, erwiderte er und trat an den Kamin. »Hätte sie die Schrift einfach nur gestohlen, hättest du hinter ihr herlaufen und sie zurückholen können. Doch selbst ein geschickter Taschendieb wie du kann ihr nicht das Gedächtnis entwenden.«
»Was wird sie wohl damit anfangen? Wird sie mit den Pazzi darüber sprechen? Oder mit Giuliano?«
Cosimo schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube es nicht. Signorina Anne mag uns zwar seltsam in ihren Taten erscheinen, doch dies mag nur ein Ausdruck des Umstandes sein, dass sie eine Frau aus einem anderen Zeitalter ist. Ihr sind andere Sitten geläufig. Ich glaube viel eher, dass sie ihr Wissen vorerst für sich behält. Wenigstens so lange, bis sie die Wahrheit über Giovannas Erkrankung und Tod herausgefunden hat.«
Anselmo atmete hörbar auf. »Aber das ist doch gut so, Cosimo!«, rief er aus. »Ich verstehe nicht, weshalb Ihr dann immer noch Trübsal blast. Wenn die Signorina die Wahrheit ans Licht bringt … Oder glaubt Ihr, dass sie dazu nicht imstande sein wird?«
»O doch, sie ist klug genug, um die Wahrheit herauszu-finden«, sagte Cosimo. »Und gerade das beunruhigt mich. Niemand weiß, was hinter den geschlossenen Vorhängen und Fensterläden des Hauses der Pazzi wirklich vorgeht. Und ich bin sicher, dass Giacomo möchte, dass dies auch so bleibt.«
Anselmo runzelte die Stirn und sah Cosimo fragend an. »Meint Ihr …«
»Bisher war Giovanna die größte Gefahr für ihn. Sie kann nichts mehr erzählen. Doch jetzt ist da eine andere Frau. Sie ist klug, sie ist neugierig, sie ist selbstbewusst. Sie stellt Fragen und stochert in seinen Geheimnissen herum. Er wird sich das nicht lange gefallen lassen, fürchte ich.« Cosimo schüttelte nachdenklich den Kopf. »Signorina Anne befindet sich in großer Gefahr. Wir müssen versuchen, sie im Auge zu behalten. Viel können wir nicht für sie tun, da sie uns nicht vertraut. Aber selbst wenn wir seine Pläne nicht verhindern können, so können wir sie ihm wenigstens erschweren. Wenn er merkt, dass wir ihn nicht aus den Augen lassen, wird er sich vorsehen müssen.« Cosimo lehnte sich gegen den Kamin und sah in das Feuer. Er spürte die Hitze der Glut auf seinem Gesicht, aber wärmen konnten ihn die Flammen nicht. »Wenn wir doch nur wüssten, wie er Giovanna getötet hat.«
»Ihr habt doch gewiss Eure Bücher studiert?«
»Natürlich, Anselmo«,
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