Verschwörung in Florenz
beinahe von seinem Schoß gefallen wäre. »Verzeih mir, mein Liebes, aber das ist wirklich zu komisch.«
»Das ist überhaupt nicht komisch!« Vor Wut, Enttäuschung und Verzweiflung war ihr zum Heulen zumute. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. In wenigen Wochen war es so weit. Giuliano würde ermordet werden. Sie kannte den Ort, den Tag, sogar die Stunde. Und er wollte ihr einfach nicht glauben. »Bitte!«
»Mein Liebling«, sagte er und streichelte zärtlich ihr Gesicht. »Glaube mir, du machst dir unnötig Sorgen. Cosimo ist gar kein so übler Kerl. Es würde ihm vermutlich großes Vergnügen bereiten, mich, Lorenzo und die ganze Familie öffentlich zu beleidigen und alle vornehmen Florentiner zu brüskieren, doch er würde keinem von uns auch nur ein Haar krümmen. Selbst wenn er es niemals zugeben würde, er ist und bleibt ein Medici – und er ist sogar stolz darauf, glaube mir. Ich kenne ihn länger als du.«
»Aber …«
»Mein Schatz, Anfang Mai werde ich dich als meine Braut vor den Altar von Santa Maria del Fiore führen und mit dir vor Gott und den Bürgern von Florenz den heiligen Bund der Ehe schließen. Danach werden wir ein paar wundervolle Tage auf dem bezaubernden Landgut meines Onkels in Passignano verbringen. Und wenn wir wieder in Florenz sind, wird es nur noch wenige Wochen dauern, bis unser Kind zur Welt kommt. Bis dahin solltest du deine Angst vor Cosimo ablegen, sonst wirst du dir die Geburt nur unnötig erschweren.«
Anne schüttelte den Kopf. Es war hoffnungslos. Giuliano war in dieser Hinsicht ebenso verbohrt wie Lorenzo oder Clarice. Als sie Lorenzo von dem bevorstehenden Mordanschlag erzählt hatte, hatte er ihr zwar höflich zugehört, ihre Worte aber als das hysterische Geschwätz einer Schwangeren abgetan. Und Clarice, offensichtlich bereits von ihrem Ehemann vorgewarnt, hatte sie noch nicht einmal ausreden lassen. Wie konnte sie Giuliano nur dazu bringen, ihr zu glauben? Er durfte am 26. April unter gar keinen Umständen den Dom betreten. Und das … In diesem Augenblick kam Anne ein Gedanke.
»Giuliano, könnten wir nicht schon früher heiraten? Vielleicht am 20. April? Und dann gleich nach Passignano fahren? Ich …«
»Nein, mein Schatz«, unterbrach Giuliano sie lächelnd und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Wir heiraten wie geplant am 8. Mai. Schon allein um dir zu beweisen, dass all deine Angst unbegründet ist. Und jetzt will ich davon nichts mehr hören. Unser Kind wird gewiss ganz schwermütig werden, wenn seine Mutter ständig über solche grausamen Dinge nachgrübelt.«
Anne seufzte und lehnte den Kopf an seine Brust. Es hatte keinen Sinn, Giuliano von der Wahrheit ihrer Worte überzeugen zu wollen. Wenn sie wenigstens einen handfesten Beweis gehabt hätte, einen Brief von Cosimo an einen Mitverschwörer zum Beispiel oder dieses verflixte Tagebuch, von dem Giovanna gesprochen hatte. Aber sie hatte nichts in der Hand. Giacomo de Pazzi hatte sich in der Tat als wertvoller Verbündeter und Freund erwiesen. In den vergangenen Wochen war sie oft bei ihm gewesen. Er hatte ihr erzählt, was ein Diener, den er in Cosimos Haus als Pagen untergebracht hatte, herausgefunden hatte – belauschte Gespräche zwischen Cosimo und Anselmo, dem Kardinal und einem Kaufmann aus der mit Florenz in Feindschaft liegenden Stadt Siena. Aber es waren nur Worte. Selbst Giacomo, der alles in seiner Macht Stehende tun wollte, um den Mörder seiner Schwester zur Strecke zu bringen, war deswegen verzweifelt. Sie wussten viel, doch beweisen konnten sie nichts. Und so würde Giuliano ihr vermutlich erst glauben, wenn es bereits zu spät war, wenn ihm auf den Stufen des Altars im Dom der Dolch zwischen die Rippen gestoßen wurde.
Es war schon mitten in der Nacht, als Anne sich heimlich aus dem Haus schlich. Niemand bemerkte sie, alle Diener schliefen. Selbst Matilda, die für gewöhnlich ihre Augen und Ohren überall hatte und der nicht einmal das Trippeln einer Maus entging, schnarchte friedlich in ihrer Kammer. Anne verließ das Haus durch die Hintertür, eilte im Schutz der Dunkelheit durch die schmalen Gassen der Hinterhöfe und stand nur wenige Minuten später vor dem Haus der Pazzi. Der Hausdiener ließ sie ohne Zögern ein, und kurz darauf saß sie in einem der Lehnstühle vor dem Kamin in Giacomo de Pazzis Bibliothek. In den vergangenen Wochen hatte sie ihn so oft aufgesucht, sowohl tagsüber als auch in den späten Abendstunden oder sogar nachts, dass sich die Diener über ihr
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