Verschwörung in Florenz
durch ihren Kopf spukten und sie wie eine Schar boshafter Kobolde in Panik zu versetzen versuchten. »Und jetzt will ich davon nichts mehr hören.«
Doch ein dumpfes Unbehagen blieb wie der Nachgeschmack eines besonders bitteren Kaffees. Sie rieb sich die Hände. Die Fingerspitzen waren so kalt, als hätte sie gerade im Eisfach ihres Kühlschranks nach den gehackten Kräutern gesucht. Sie musste sich ablenken. Sofort. Sonst begann sie tatsächlich noch an alles Mögliche zu glauben.
Da fiel ihr Blick wieder auf die Bibel. Der Einband war prächtig. Das hellbraune, glatte Leder war frei von jedem Makel und kunstvoll mit Blattgold verziert. Von der Schönheit dieses Buches magisch angezogen, nahm sie es aus dem Regal. Es war nicht nur groß, sondern auch schwer und unhandlich. Deshalb ging sie zu dem Kamin, dorthin, wo es warm war, und legte die Bibel vorsichtig auf den weichen Teppich. Zaghaft fuhren ihre Finger über die geprägten Buchstaben. Wer auch immer dieses Leder gegerbt hatte, hatte eine wahre Meisterleistung vollbracht. Anne stellte sich vor, dass es ein Mönch gewesen war. Ein Mann, der genau wusste, welches Buch in dieses Leder gebunden werden sollte. Ein Mann, der bescheiden und voller Demut seinen Auftrag erfüllt hatte. Ein Mann, der das Wort Gottes liebte und deshalb alle nur menschenmögliche Sorgfalt darauf verwandt hatte, ihm eine würdige Hülle zu schaffen. Vorsichtig schlug sie die erste Seite auf. Vor ihr lag das erste Kapitel des Buches Genesis. Die Schöpfung. Anne blieb fast die Luft weg, als sie die wunderschöne farbenprächtige Zeichnung sah, die das Kapitel ausschmückte. Und dann die Schrift. 1477 lag die erste Ausgabe der Gutenberg-Bibel höchstens zwanzig Jahre zurück, und das Wissen vom Buchdruck war in Europa noch nicht weit verbreitet. Doch die Buchstaben in dieser Bibel waren so gewissenhaft und gleichmäßig geschrieben, dass es schwer fiel zu glauben, dass es sich wirklich um eine Handschrift handelte. Das Pergament war dick und schwer. Wenn nicht ein Brand oder eine Überschwemmung dieses Buch in Mitleidenschaft ziehen oder es jemand gar absichtlich beschädigen würde, so würde es die Jahrhunderte weitgehend unbeschadet überdauern können – abgesehen von vergilbenden Seiten, verblassenden Farben und feinen Altersrissen im Leder. Anne versuchte sich vorzustellen, wie viel diese Bibel dann wohl im 21. Jahrhundert wert sein mochte. Sie konnte es nicht. Ein solches Buch war bestimmt unbezahlbar.
Sie blätterte behutsam weiter zur nächsten Seite. Der Sündenfall. Adam und Eva standen dicht beisammen, der Baum der Erkenntnis mit seinen prächtigen goldroten Äpfeln direkt neben ihnen. Um seinen Stamm ringelte sich die Schlange, ein riesiges grünes, besonders gefährlich aussehendes Tier. Offensichtlich hatten ihre Einflüsterungen bereits den gewünschten Erfolg, denn Eva hielt den verhängnisvollen Apfel schon in der Hand.
Plötzlich waren draußen vor der Tür der Bibliothek Schritte zu hören. Erschrocken sprang Anne auf. Cosimo sah es bestimmt nicht gern, wenn man ohne Erlaubnis in seinen Büchern blätterte. Und gar beim Herumlungern auf dem Teppich erwischt zu werden, würde das Ganze noch zusätzlich verschlimmern. Sie klappte die Bibel vorsichtig zu und hob sie auf. Mit dem schweren, unhandlichen Buch in den Armen, eilte sie quer durch den Raum. Sie schob es gerade an seinen Platz im Regal zurück, als sich die Tür öffnete und Cosimo, gefolgt von seinem Diener Anselmo, die Bibliothek betrat.
Hoffentlich hat er das nicht gesehen, dachte sie. Sie drehte sich um und versuchte so unbefangen und natürlich wie möglich zu erscheinen.
»Guten Morgen, Signorina Anne«, sagte Cosimo, kam mit langen Schritten auf sie zu, ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Ich freue mich über Euren Besuch, wenn er auch, wie ich zugeben muss, etwas überraschend und unerwartet kommt.«
»Verzeiht mir, Cosimo. Ich weiß, dass Euch mein Besuch fast wie ein Überfall erscheinen mag, jedoch …«
»Dieses hätte sich mit Hilfe eines Boten ohne weiteres vermeiden lassen«, fiel Cosimo ihr ins Wort. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen, während sein Blick an ihr auf und ab glitt.
Anne wurde rot. »Nun, ich …«
»Ich bitte um Vergebung, meine Liebe«, sagte Cosimo und lächelte sie gewinnend an. »Streicht meine Worte einfach aus Eurem Gedächtnis. Selbstverständlich freut mich Euer Besuch. Doch setzt Euch mit mir vor den Kamin, dort ist es warm, und
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