Verschwörung in Florenz
du mir eben erzählt hast?«
Anne nickte.
»Ich werde ihn zu dir bringen. Morgen gleich nach der heiligen Messe. Und bis dahin, das musst du mir versprechen, sagst du niemandem – hörst du, keinem Menschen – auch nur ein Wort von dem, was du gesehen hast. Es muss unter uns bleiben, hörst du.«
Anne seufzte. So waren die Medici. Der Name der Familie, ihr Ruf und ihr Ansehen mussten geschützt werden, um jeden Preis.
»Ich verspreche es dir«, sagte sie.
»Ich danke dir.« Giuliano beugte sich über sie und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Tränen schimmerten in seinen Augen. Er mochte Cosimo, das wusste sie. Und sie konnte es verstehen. Sie mochte ihn ja auch – irgendwie. »Und nun ruhe dich aus. Matilda wird dir gleich Brühe bringen, und danach solltest du schlafen. Vielleicht sehe ich heute Abend noch nach dir, aber das kann ich nicht versprechen.«
Anne nickte, erwiderte seinen Kuss und schloss erleichtert die Augen. Was sie tun konnte, hatte sie getan. Giuliano wusste jetzt Bescheid. Er und Lorenzo würden dafür sorgen, dass Cosimo keinen Schaden mehr anrichten konnte. Es würde alles gut werden.
Sie hörte, wie sich die Tür wieder öffnete, und schlug die Augen auf. Matilda trat an ihr Bett. In ihren Händen hatte sie ein Tablett mit einer Schüssel, aus der ein verlockender Duft aufstieg. Großen Hunger hatte Anne zwar nicht, aber sie hatte das Gefühl, ein paar Löffel von der herzhaften Brühe würden ihr gut tun.
»Wartet, ich werde Euch helfen, Signorina«, sagte Matilda, breitete ein Tuch über Annes Oberkörper, nahm die Schale und einen Löffel und begann sie zu füttern. Ganz langsam, Löffel für Löffel, während sie den neuesten Klatsch und Tratsch aus dem Haus zum Besten gab.
»Sag mir mal, Matilda, wie lange liege ich hier eigentlich schon?«, fragte Anne nach einer Weile.
»Ziemlich lange, Signorina, aber es ging Euch ja wirklich schlecht. Es sind mittlerweile mehr als vier Wochen.«
»Vier Wochen!« Anne spürte, wie ihr Herz einen Augenblick lang aussetzte. »Heilige Mutter Gottes! Welches Datum haben wir denn heute?«
»Es ist der 25. April, Signorina«, antwortete Matilda bereitwillig.
»Nein!«
Anne schrie. Sie schlug der völlig überraschten und entsetzten Matilda in einer heftigen Bewegung die Schüssel aus der Hand, sprang auf und versuchte aus dem Bett zu kommen. Schmerzen peitschten durch ihren Körper, doch darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Der 25. April! Und es war noch keine Viertelstunde her, als Giuliano vor ihr gesessen und ihr erzählt hatte, dass er sie morgen nach der Messe gemeinsam mit Lorenzo besuchen würde. Morgen! Am 26. April! Das war der Tag, an dem er getötet werden würde. Anne war schlecht. Ihr war so schlecht, dass sie sich erbrach. Sie würgte, hustete, sie weinte vor Schmerz, und doch konnte sie darauf keine Rücksicht nehmen. Sie musste hinaus, sie musste zu Giuliano. Sie musste ihn davon abhalten, morgen die heilige Messe zu besuchen. Er musste zu Hause bleiben. Jetzt. Morgen. Sie musste …
»Signorina! Signorina!«
Wie aus weiter Ferne nahm Anne Matildas Stimme wahr. Die alte Magd versuchte sie festzuhalten, sie zu beruhigen, doch Anne wehrte sich. Sie registrierte, dass sie stand. Sie stand auf ihren eigenen Füßen vor dem Bett in einer Pfütze aus Brühe und Erbrochenem, mitten zwischen den scharfen, spitzkantigen Scherben der Schale, die in ihre nackten Füße schnitten. Sie hatte Schmerzen, so starke Schmerzen, dass sie kaum noch atmen konnte. Und das Kind in ihrem Bauch schlug und trat um sich, als wäre es wütend – oder ebenso erschrocken wie Anne.
»Signorina, was macht Ihr denn für Sachen!« Matilda war kreidebleich. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie Anne an, als würde sie um ihren Verstand fürchten, und ergriff ihre beiden Oberarme. »Kommt ins Bett, Signorina, ich werde gleich den Arzt holen. Kommt, Signorina, es wird schon alles gut, kommt.«
»Matilda, ich muss zu Giuliano, ich muss mit ihm sprechen, ich …« In dem Moment gaben ihre Beine unter ihr nach, und sie sank zu Boden. Sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde, aus eigener Kraft zu Giuliano zu gehen. Und das machte sie noch verzweifelter. So verzweifelt, dass sie am liebsten so laut geschrien hätte, dass die Fensterscheiben zersprangen, doch dafür hatte sie nicht mehr genügend Atem. »Matilda, ich … Giuliano darf nicht zur Messe, er darf den Gottesdienst nicht besuchen, bitte!«
Die Magd half ihr ins Bett zurück und sah
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