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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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sie mit einem Blick voller Güte und Mitleid an.
    Sie versteht mich nicht, dachte Anne verzweifelt. Sie begreift nichts von dem, was ich sage. Sie denkt, ich bin verrückt.
    Kraftlos ließ sich Anne in die Kissen sinken, während die Tränen in Strömen über ihre Wangen liefen. In ihrer großen Not faltete sie die Hände.
    »Bitte, lieber Gott, mach, dass Giuliano morgen nicht zur Messe geht«, flüsterte sie. »Bitte! Giuliano darf nicht sterben.«
    Cosimo stand mit Leonardo in einem Raum seines Kellergewölbes und zeigte ihm alles. Bereits vor Jahren hatte er diesen Raum für alchemistische Zwecke hergerichtet und mit allem ausgestattet, was ein Forschender brauchte. Drei lange stabile Tische standen mitten im Raum, deren Holz so dick und hart war, dass überkochende Flüssigkeiten, sprühende Funken oder selbst kleinere Brände ihnen nichts anhaben konnten. An der Stirnseite war ein Regal mit allen Büchern und Schriften über Alchemie, die in Latein, Griechisch, Hebräisch, Italienisch und Deutsch jemals geschrieben worden waren. Glasgefäße in allen nur erdenklichen Größen und Formen befanden sich auf den Tischen in Ständern aus Holz und Eisen. Geschirr aus Kupfer, Messing und Eisen hing neben der Feuerstelle, die so breit war, dass zwei Männer bequem nebeneinander stehen konnten. Mehrere Öllampen hingen von dem niedrigen Gewölbe herab und sorgten für genügend Licht. Entlang der beiden Längsseiten des Raumes jedoch standen Regale, angefüllt mit sorgfältig verschlossenen und beschrifteten Gläsern und Flaschen mit allen Ölen, Kräutern, Mineralien und Essenzen tierischen Ursprungs, von deren Existenz Cosimo erfahren hatte und die er – zum Teil auf den seltsamsten Wegen – hatte beschaffen können. Trotzdem hatte er sich bislang mindestens einmal im Monat die Frage gestellt, weshalb er das ganze Zeug nicht einfach gewinnbringend verkaufte und den Raum für die Lagerung von Wein nutzte. Doch jetzt, in diesem Moment, da er hier stand und Leonardo da Vincis Augen neben ihm angesichts der Ausstattung des Laboratoriums zu leuchten begannen, wusste er, dass seine Entscheidung richtig gewesen war. Es war, als hätte er die ganzen Jahre über geahnt, wie dringend er das alles eines Tages brauchen würde.
    »Meint Ihr, dass es uns gelingt, herauszufinden, welches Gift Giacomo in dem Zucker versteckt hat?«, fragte Cosimo.
    »Unbedingt«, antwortete Leonardo sofort und nahm zwei der Gläser in die Hand und las die Aufschriften: »Smaragd, Kristalle, Herkunft Indien« – »Smaragd, gemahlen, Herkunft Indien«. Er stellte die Gläser behutsam wieder an ihren Platz im Regal. »Mit dieser Ausstattung werden wir es leicht haben. Hier ist wirklich alles vorhanden, was wir brauchen werden. Alraunen habe ich gesehen, Schlangenhäute, Mistelkraut und Mistelbeeren. Sogar ein Drachenzahn ist vorhanden. Es ist ein Laboratorium, wie es sich ein großer Alchemist nicht besser wünschen könnte. Das Einzige, was fehlt, sind sichtbare Spuren des Gebrauchs.«
    »Was wenig verwunderlich ist, da ich es nicht benutze«, erklärte Cosimo. »Ich habe das Kellergewölbe vor etwa zehn Jahren eingerichtet. Seither war ich erst zweimal hier unten, um nach dem Rechten zu sehen.« Er zuckte mit den Schultern. »Die Alchemie ist gewiss eine überaus interessante Wissenschaft – in der Theorie. Aber die Anwendung der alchemistischen Künste finde ich abscheulich. Der Gestank verursacht mir Übelkeit, und das Zerstoßen von getrockneten Fledermäusen versetzt mich auch nicht gerade in Entzücken. Folglich überlasse ich die Experimente lieber anderen.«
    Leonardo lächelte. »Also Männern wie mir – ich verstehe.« Er sah sich in dem Gewölbe um, seine Augen leuchteten vor Begeisterung. »Doch lasst uns nun beginnen. Wo ist der Zucker, in dem Ihr das Gift vermutet?«
    Cosimo schob den Beutel zu Leonardo. Wissen war das eine. Man konnte wohl hunderte, tausende von Büchern lesen und sich das darin enthaltene Wissen aneignen. Dennoch wäre es nicht möglich, sich mit einem Mann wie Leonardo zu messen. Wenn jemand in Florenz in der Lage war, herauszufinden, welches Gift Giacomo verwendet hatte, so war er es. Er war ein Genius.
    Der Künstler öffnete den Beutel, roch an dem Pulver und schüttete dann ein wenig davon auf eine kleine flache Schale aus Messing, um es zu betrachten.
    »Es sieht aus wie ganz gewöhnlicher Zucker, aber …« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »An dem Geruch ist etwas, das mir bekannt

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