Verschwörung in Florenz
was geschehen ist.«
Giuliano schüttelte den Kopf und strich ihr liebevoll das Haar aus dem Gesicht.
»Das hat bis morgen Zeit. Ruhe dich aus, schlafe.«
»Nein! Du verstehst es nicht, es hat keine Zeit. Giuliano, ich habe sein Gesicht gesehen.«
»Wessen Gesicht?«
»Das Gesicht des Mannes, der mich überfallen hat.«
Giulianos Lächeln verschwand, und er nahm erneut auf der Bettkante Platz.
»Du hast den Mörder gesehen?« Sie nickte. »Und hast du ihn erkannt?« Sie nickte wieder. »Gut. Matilda, geh in die Küche und hol eine Schale Suppe für die Signora«, sagte er mit Nachdruck. Er wartete, bis sich die Tür hinter der alten Magd geschlossen hatte. »Und jetzt erzähl mir alles von Anfang an.«
Anne holte tief Luft. Ihr Herz schlug hart gegen ihren Brustkorb. Und die Todesangst, die Verzweiflung, die sie in der dunklen Gasse angesichts der Gestalt mit dem Dolch in der Hand gespürt hatte, kehrten zurück. Die Furcht steigerte sich so sehr, dass ihr übel wurde und sie glaubte sich übergeben zu müssen. Würde sie wirklich die Kraft haben, alles zu erzählen und somit alles noch einmal zu durchleben? Diesen grauenvollen Augenblick, als sie das Messer entdeckt hatte und ihr klar geworden war, was als Nächstes geschehen würde? Aber sie musste es tun. Sie musste Giuliano davon erzählen. Vielleicht würde er ihr dann endlich glauben, dass Cosimo keinesfalls so harmlos war, wie er und Lorenzo offensichtlich dachten.
»Es muss kurz nach Mitternacht gewesen sein. Ich war auf dem Heimweg«, begann sie. Anne sah deutlich die Frage auf Giulianos Gesicht. Natürlich wollte er wissen, was sie mitten in der Nacht auf den Straßen von Florenz zu suchen hatte und wo sie gewesen war. Und im Grunde genommen hatte er auch ein Recht darauf, es zu erfahren, sie war schließlich seine Braut. Aber sie hatte Giacomo de Pazzi ein Versprechen gegeben. »Ich bin durch die schmalen Gassen der Hinterhöfe gegangen, um den Weg abzukürzen. Plötzlich hörte ich Schritte. Jemand muss mir gefolgt sein. Ich blieb stehen und sah mich um, doch da war niemand. Und als ich mich umdrehte …« Für einen kurzen Moment bekam sie keine Luft mehr, als sie wieder dieses Bild vor Augen hatte, diese dunkel gekleidete Gestalt, nur einen Schritt von ihr entfernt, mit dem blitzenden Dolch in der Hand. »Da … da …«
»Beruhige dich, Anne«, sagte Giuliano sanft und streichelte ihre Hand. »Du bist in Sicherheit, du hast es überstanden. Der Kerl kann dir jetzt nichts mehr tun. Wenn dir die Erinnerung daran schwer fällt, können wir morgen weiterreden.« Doch Anne schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Nicht morgen. Jetzt.« Sie schluckte, biss die Zähne zusammen, zählte bis zehn, dann fuhr sie fort. »Eine Gestalt stand vor mir, nur einen Schritt entfernt. Sie trug einen langen dunklen Mantel mit einer Kapuze. Und in der Hand hatte sie einen Dolch. Ich konnte nicht einmal schreien, weil der Kerl mir sofort den Mund zuhielt und zustach. Als ich schon am Boden lag, beugte er sich noch einmal über mich. Und da habe ich sein Gesicht gesehen.« Sie holte tief Luft. »Es war Anselmo, Cosimos Diener.«
Giuliano blinzelte. Er sah aus wie jemand, dem beim Reiten ein Zweig ins Gesicht geschnellt war.
»Das ist eine ernste Anschuldigung, Anne. Bist du dir ganz sicher?«
»Ja, Giuliano. Ich habe sein Gesicht so deutlich gesehen wie jetzt deines.«
»Ich kann das nicht glauben. Cosimo soll …« Er brach ab und starrte die Bettdecke an, als könnte er dort lesen, was er als Nächstes tun sollte. »Das klingt so abwegig. Ich hatte stets den Eindruck, dass Cosimo dir zugetan ist, dass er dich bewundert, vielleicht sogar ein wenig verehrt. Weshalb sollte er dich töten wollen?«
»Ich habe dir doch erzählt, dass er plant, dich umzubringen. Vielleicht hat er davon erfahren. Vielleicht hat er befürchtet, dass sein Plan scheitern könnte, und wollte mich daher zum Schweigen bringen.«
Giuliano stieß geräuschvoll den Atem aus und schüttelte langsam den Kopf.
»Ich begreife das alles nicht. Vielleicht stimmt es, was die Leute sagen. Vielleicht ist Cosimo wirklich verrückt, wahnsinnig.« Sein Gesicht war bleich wie eine frisch gekalkte Wand. »Ich muss mich mit Lorenzo beraten. Er wird wissen, was wir tun sollen. Aber heute erreiche ich ihn nicht, er ist nicht in Florenz und kehrt erst spät am Abend zurück.« Er ergriff wieder Annes Hand. »Mein Liebling, fühlst du dich stark genug, in Lorenzos Gegenwart noch einmal alles zu wiederholen, was
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