Verschwörung in Florenz
süß ist, dass es von Zucker kaum zu unterscheiden ist.«
Leonardo nickte grimmig. »Ja, das ist es. De Pazzi muss in regelmäßigen Abständen auf sein Landgut fahren. Dort mischt er Bleipulver und Essig miteinander. Und wenn er nach Hause zurückkehrt, hat er wieder einen neuen Sack Zucker dabei.«
»Und weil Blei nicht viel kostet, wird niemandem das Fehlen eines Säckchens auffallen.« Cosimo ballte die Hände zu Fäusten. »Welch ein teuflischer Plan.«
»In der Tat. Jetzt bleibt uns nur noch eines zu tun – wir müssen beweisen, dass wir Recht haben.« Leonardo band sein langes lockiges Haar mit einer Lederschnur zu einem Zopf im Nacken fest und holte zwei Gläser aus den Regalen. Dann machte er sich endlich an die Arbeit.
Eine Weile war es still in dem Gewölbe, nur das Blubbern und Zischen der Flüssigkeit, die in dem bauchigen Gefäß langsam vor sich hin kochte, war zu hören. Als nach einer Weile die Flüssigkeit fast verdampft war und in dem Gefäß nur noch ein dunkler schlammiger Bodensatz übrig war, gab Leonardo eine Prise eines weißen Pulvers hinzu. Und wenig später stieg gelber Rauch aus dem bauchigen Gefäß auf. Er nickte.
»Wir haben Recht, Cosimo. Es ist Blei. Eine tödliche Waffe in der Hand eines Schurken.«
Cosimo biss die Zähne zusammen. Endlich wusste er, wie es Giacomo gelungen war, seine Schwester zu töten. Doch wie er jetzt vorgehen sollte, um Giacomo dafür zur Rechenschaft zu ziehen, das war ihm noch nicht ganz klar. Aber dafür würde sich auch ein Weg finden. Jetzt, da er die Wahrheit kannte, würde sie nicht mehr lange verborgen bleiben.
Das Ende aller Tage
Anne erwachte aus einem unruhigen Schlaf, und sofort wusste sie, welcher Tag heute war. Es war der Tag, vor dem sie sich schon seit Monaten gefürchtet hatte, der 26. April, der Tag, an dem Giuliano ermordet werden sollte. Langsam und vorsichtig setzte sie sich im Bett auf. Sie wollte auf gar keinen Fall riskieren, erneut ohnmächtig zu werden. Glücklicherweise war es noch ziemlich dunkel im Zimmer, es musste also noch sehr früh sein, früh genug, um aufzustehen, zu Giuliano zu gehen und dafür zu sorgen, dass er die Messe im Dom nicht besuchte.
Mühsam schob Anne sich aus dem Bett. Der Arzt war gestern gekommen und hatte ihr etwas gegeben, von dem er behauptet hatte, es würde sie beruhigen und dafür sorgen, dass sie schlafe. Es war ein abscheulich stinkendes Pulver, das Matilda mit Wasser zu einem schleimigen Brei verrührt und ihr löffelweise eingeflößt hatte. Doch gewirkt hatte das Pulver nicht. Wohl war Anne eingeschlafen, jedoch immer nur für kurze Zeit. Zwischendurch war sie aufgewacht, schweißgebadet vor Angst um Giuliano. Und wenn sie sich jetzt nicht beeilte, würde es zu spät sein.
Unter Aufbietung all ihrer Kräfte stellte sie sich hin und hielt sich am Bettpfosten fest. Ein paarmal holte sie tief Luft, um die schwarzen Punkte vor ihren Augen zu vertreiben. Dann setzte sie einen Fuß vor den anderen. Langsam, mit nackten Füßen, die so kalt waren, als würde sie über Eisschollen laufen, ging sie zur Tür. Giulianos Schlafgemach lag am anderen Ende des Ganges, kaum fünfzig Meter von ihrem entfernt. Eine lächerliche Distanz. Doch sie fühlte sich so matt und zerschlagen, dass nur der Wille, zu Giuliano zu gelangen, sie überhaupt auf den Beinen hielt. Und sie konnte nur hoffen, dass dieser Wille auch ausreichen würde, sie zu ihm zu tragen.
Um sich Mut zu machen, zählte sie jeden Schritt. Bis zur Tür waren es höchstens fünfzehn. Fünf hatte sie schon hinter sich, sechs, sieben … Es ging langsam voran, so langsam, dass sie allmählich Angst bekam, dass sie ihn nicht mehr rechtzeitig antreffen würde, dass er bereits das Haus verlassen hatte, bevor sie überhaupt den Flur erreicht haben würde. Zwölf, dreizehn, vierzehn … Jeder Atemzug schmerzte. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als wäre er mit einem Vorschlaghammer bearbeitet worden. Ihren Körper verlangte es danach, wieder im Bett zu liegen, weich, warm, geschützt. Doch darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Voran! Es war nur noch ein Schritt.
»Etappenziel erreicht«, flüsterte sie sich zu und lehnte sich erschöpft gegen das Holz. Ein, zwei Atemzüge wollte sie sich gönnen, ihren rasenden Herzschlag ein wenig beruhigen lassen, dann weitergehen. Das nächste Ziel anvisieren, den Gang entlang bis zu Giulianos Tür. Und dann …
Anne drückte die Klinke hinunter und gegen die Tür. Vergeblich. Ging sie denn nach
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