Verschwörung in Florenz
ich auch«, zischte Anne ihn zornig an. »Der ganze Abend war ein einziges Missverständnis. Und wenn Sie gestatten, dann würde ich jetzt gern wieder gehen. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, doch die Gastfreundschaft Ihres Hauses entspricht weder meinen Erwartungen noch meinem Stil. Guten Tag.«
Sie drehte sich um und wollte den Raum verlassen, doch der junge Mann stellte sich ihr in den Weg.
»Bitte, Signorina, glaubt mir, dass ich zu keiner Zeit danach trachtete, Euch zu verletzen. Doch Ihr seid geflohen, und ich gab meinen Dienern den Befehl, die Verfolgung aufzunehmen. Dass die beiden übereifrig und in der Wahl ihrer Mittel unangemessen gehandelt haben, ist unverzeihlich. Euer Zorn ist durchaus verständlich, und ich versichere Euch, dass ich gewillt bin, Euch für die erlittene Unbill zu entschädigen – sofern es in meiner Macht steht und Ihr bereit seid, mir diese Gunst als Zeichen meiner Reue zu gewähren. Dennoch muss ich leider darauf bestehen, dass Ihr mir noch die Ehre Eurer Anwesenheit schenkt, wenn auch nur für kurze Zeit, denn dieses Missverständnis – so leidig die Angelegenheit Euch auch erscheinen mag – muss so bald wie möglich aufgeklärt werden.«
Anne dachte einen Moment nach. Sie war immer noch wütend, doch seine ausgesuchte, etwas altmodische Höflichkeit und der Blick seiner braunen Augen besänftigten sie etwas. Er machte wirklich einen zerknirschten Eindruck, es war beinahe rührend. Natürlich konnte sie sich täuschen. Es gab bestimmt genügend Diebe, Mörder und andere Verbrecher, die über Charme, gutes Aussehen und gute Manieren verfügten. Trotzdem beschloss sie, ihm eine Chance zu geben, die Sache aufzuklären. Und sei es nur, weil es ein verlockender Gedanke war, sich hinzusetzen, ihre müden Glieder ein wenig auszustrecken und sich – wenigstens für ein paar Minuten – von den Strapazen dieser Nacht zu erholen.
»Also gut«, sagte sie gnädig. »Ein paar Minuten meiner Zeit werde ich Ihnen opfern.«
»Ich danke Euch«, erwiderte der junge Mann und schob ihr einen Stuhl zurecht. »Setzt Euch bitte, Signorina.«
Wenn er nicht so nett wäre, wäre ich bestimmt nicht geblieben, dachte Anne, während er ihre Hand hielt und ihr half, sich hinzusetzen. Sie kam sich vor, als wäre sie in einem anderen Jahrhundert gelandet. Hoffentlich ist das nicht nur eine ganz geschickte Masche von ihm, mit der er seine weiblichen Opfer üblicherweise um den Finger wickelt.
Sie wartete, bis er sich ebenfalls einen Stuhl herangezogen hatte und ihr direkt gegenübersaß.
»Nun erklären Sie mir …«, begann sie und lehnte sich in die weichen Polster des Lehnstuhls zurück. Zum Glück war er weitaus bequemer, als es auf den ersten Blick ausgesehen hatte. »Erklären Sie mir doch bitte, welcher Angelegenheit, welchem Missverständnis ich meine blauen Flecken zu verdanken habe.«
Der junge Mann hüstelte jetzt verlegen. »Verzeiht, es ist mir wirklich sehr unangenehm, doch wenn wir diese Angelegenheit aus der Welt schaffen wollen, muss ich Euch leider diese Frage stellen: Wie seid Ihr in den Besitz des Colliers gekommen, das Ihr um den Hals tragt?«
Anne tastete überrascht nach dem Schmuck. Sie spürte das Gold und die großen wunderschön geschliffenen Steine unter ihren Fingerspitzen. Also darum ging es? Um Juwelen? Sie war beinahe enttäuscht.
»Es stammt aus demselben Kostümverleih, in dem ich auch dieses Kleid ausgesucht habe. Jener Kostümverleih übrigens, der mir auf der Einladung von Cosimo Mecidea persönlich empfohlen wurde.«
»Kostümverleih?«
O nein, nicht schon wieder, dachte Anne und zählte stumm bis zehn. Ist denn hier wirklich jeder begriffsstutzig?
»Ja. Der Kostümverleih in der Via del Lungo – den Namen habe ich vergessen. Doch ich bin sicher, dass Cosimo Mecidea Ihnen die Adresse geben kann. Dort kann man sich Kleider, Schmuck, Schuhe und alle notwendigen Accessoires für Maskenbälle ausleihen.«
»Und dort habt Ihr dieses Collier erhalten?« Es klang ungläubig.
»Ja.«
»Aber das ist unmöglich!« Er schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Stuhls und sprang aufgebracht auf. »Es kann nicht sein. Entweder Ihr lügt, oder …«
»Sie wollen also behaupten, dass ich lüge?« Auch Anne stand auf. Sie war wütend. Wütend und enttäuscht. »Dann fragen Sie doch Cosimo Mecidea. Er hat mir die Einladung geschrieben, er hat mir die Adresse genannt, damit ich dort ein angemessenes Kostüm finde. Und dort habe ich das Kleid bekommen, die
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