Verschwörung in Florenz
ein Scherz sein. Oder vielleicht ein Experiment? Jemand hatte sich die Mühe gemacht, in Italien Doppelgänger der Medici aufzutreiben, und sie überredet, dieses Schauspiel aufzuführen. Aber was war dann mit den beiden Dienern, die anscheinend nicht wussten, was ein Taxi war? Sollten das auch Schauspieler gewesen sein? Und die Kutsche? Gut, das alles konnte man vielleicht noch arrangieren. Doch was war mit der Straßenbeleuchtung und dem fehlenden Verkehr? Selbst wenn Mecidea so viel Einfluss bei den Behörden hatte, dass er tatsächlich ganz Florenz in Dunkelheit und Stille versinken lassen konnte, eines würde ihm bestimmt niemals gelingen. Er konnte nicht einfach über Nacht ein ganzes Hotel verschwinden und einen der belebtesten Plätze der Stadt komplett umbauen lassen. Es sei denn, er wäre der Teufel persönlich. Doch dieser Gedanke war so unwahrscheinlich, so fantastisch, dass sie schon eher an die Möglichkeit einer Reise in die Vergangenheit glauben konnte.
Um dieses Problem zu klären, brauchte sie nichts weiter zu tun, als Giuliano die einzig logische Frage zu stellen. Sie musste nur darauf achten, wie spontan und unbefangen er antwortete.
»Verzeihen Sie, aber welches Datum haben wir heute?«
»Es ist Sonntag, der 7. Oktober im Jahre des Herrn 1477.« Giuliano antwortete ruhig, geduldig, wie man es zuweilen angesichts von hysterischen Menschen ist, ohne Hast und Eile. Es klang auch nicht auswendig gelernt. Und er zuckte mit keiner Wimper. Sollte sie ihm wirklich glauben? Sie konnte nicht anders. Er schien so real zu sein, so echt … Und dann war da noch die Sache mit dem Collier. Die Frau vom Kostümverleih hatte ihr erzählt, dass es aus dem Besitz der Medici stamme. Natürlich konnte sie gelogen haben. Auch sie konnte Teil eines genial ausgeklügelten Planes sein. Aber wenn nicht? Je länger sie darüber nachdachte, umso besser fügte sich ein Steinchen zum anderen, umso besser passte alles zusammen. Die ganze Situation war verworren. Doch wenn man davon ausging, dass heute tatsächlich der 7. Oktober 1477 war, dann … ja, dann …
Anne schluckte. Sie schluckte noch einmal. Dann fiel sie in Ohnmacht.
Begegnung mit Cosimo
Anne wachte auf – wie ein Embryo am Fußende des Bettes kauernd. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte. Sie konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, überhaupt ins Bett gegangen zu sein. Hatte sie auf Mecideas merkwürdigem Kostümball doch mehr getrunken, als sie geglaubt hatte, sodass sie jetzt einen Filmriss hatte? Oder lag es an der Droge aus dem Kelch, dass sie sich an nichts mehr erinnern konnte? Jedenfalls musste sie schon eine ganze Weile in dieser unbequemen Position gelegen haben, denn ihre Gelenke taten abscheulich weh, und sie konnte sich kaum rühren.
»Au!«, entfuhr es ihr, als sie sich endlich überwunden hatte, ihre Gelenke zur Bewegung zu zwingen. Sie kam sich dabei vor wie ein Schmetterling beim Schlüpfen aus einer viel zu engen Puppe.
Da bekommt das Wort Selbstentfaltung doch gleich eine ganz andere Bedeutung, dachte sie und schrie kurz darauf erneut auf. Bei dem Versuch, sich zu strecken, war sie ungebremst und ohne jede Vorwarnung mit dem Kopf gegen das Kopfteil gestoßen.
»Was zum Henker …«
… ist mit dem Bett passiert , wollte sie eigentlich sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie lag nicht in ihrem bequemen, komfortablen Hotelbett, wie sie anfangs geglaubt hatte. Dieses Bett hier war hart und höchstens einen Meter fünfzig lang. Und dieses Zimmer war ihr fremd. Sie war an keinem Ort, den sie kannte, das stand fest, auch wenn sie nicht gerade viel sehen konnte. Mecidea und sein seltsames Verhalten fielen ihr ein, die Verfolgungsjagd quer durch die leeren Straßen von Florenz, und ihre Angst, einem Psychopathen in die Hände gefallen zu sein, kehrte zurück. Ihr Herz raste, und sie musste sich sehr zusammennehmen, um nicht vor lauter Panik in Tränen auszubrechen.
Reiß dich zusammen, Anne, und gebrauch besser deinen Verstand!
Sie schluckte, versuchte langsam und gleichmäßig zu atmen und sah sich um. Aus der Richtung, wo sie das Fenster vermutete, fiel Licht in schmalen Streifen durch die Ritzen von … Ja, von was? Rollläden? Jalousien? Oder hatte jemand einfach das Fenster mit Brettern zugenagelt?
Wie auch immer, dachte Anne nicht ohne Erleichterung, du sitzt weder in einem Käfig noch in einem Erdloch. Und gefesselt bist du auch nicht. Das ist doch schon mal ein Anfang.
Sie befand sich in
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