Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
die Wünsche von Euren Augen abzulesen, um Euch für das an diesem verdammenswerten Tag erlittene Leid zu entschädigen.«
    Er küsste ihre Hand, und Anne wurde ganz gegen ihre Gewohnheit verlegen. Medici? Hatte er wirklich Medici gesagt? Sie musste sich verhört haben. Die Familie Medici existierte schon lange nicht mehr.
    »Ist schon gut«, erwiderte sie und zog ihre Hand zurück. »Nun stehen Sie auf. Es war eben ein Missverständnis. Aber Ihrem Vetter bestellen Sie die besten Grüße, wenn Sie ihn treffen. Ich werde ernsthaft darüber nachdenken, ob ich ihn nicht verklage. Solche Scherze gehen entschieden zu weit.«
    »Ihr habt Recht«, stimmte er zu und zuckte hilflos mit den Schultern. »Aber was sollen wir tun? Cosimo ging stets seine eigenen Wege. Und seit einigen Jahren entzieht er sich mehr und mehr dem Einfluss der Familie.«
    »Es gibt eben überall schwarze Schafe. Ich heiße übrigens Anne Niemeyer«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Es freut mich, Signorina Anne Niemeyer«, erwiderte er mit einem Lächeln und beugte sich über ihre ausgestreckte Hand. Seine Lippen berührten sie so zart, dass Anne Schauer über den Rücken liefen. Und plötzlich wusste sie, weshalb er ihr so bekannt vorgekommen war. Er ähnelte dem Bild des jungen Mannes, das sie für einen kurzen Moment in Ariannas uraltem Spiegel gesehen hatte. War das Zufall? Oder sollte der Spiegel doch … »Ich bin Giuliano de Medici.«
    »Giuliano de Medici?«, fragte Anne, die erneut glaubte sich verhört zu haben. »Und Ihr Bruder heißt …«
    »Lorenzo. Lorenzo de Medici.«
    »Und Clarice ist Ihre Schwägerin?«
    »Ja. Doch weshalb fragt Ihr?«
    Tja, warum frage ich, dachte Anne und versuchte das Karussell ihrer Gedanken zu stoppen. Als sie in Florenz gelebt hatte, hatte sie ihren Lebensunterhalt als Reiseleiterin verdient. Sie hatte deutsche Touristen durch die Uffizien, den Dom, den Palazzo Vecchio und alle anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt geführt. Dabei hatte sie viel über Kunstgeschichte erzählt – und natürlich auch über die Medici. Sie hatte so oft die Geschichte der Familie vor den staunenden Ohren der Touristen zum Besten gegeben, dass sie diese in- und auswendig kannte. Jede einzelne Jahreszahl, jedes einzelne Mitglied. Und jetzt stand ihr gegenüber ein hübscher junger Mann in einem historischen Kostüm, der von sich behauptete, er sei der jüngere Bruder von Lorenzo de Medici, und dieser Lorenzo habe einem Maler Namens Sandro Botticelli den Auftrag für ein Gemälde gegeben. Das war etwas zu viel des Guten. Sie kam sich vor, als wäre sie mitten in einer Karnevalsveranstaltung gelandet.
    Sie sah Giuliano genau an. Erlaubte er sich einen üblen Scherz mit ihr? Es fiel ihr schwer, das zu glauben. Er war so nett, so höflich, so zuvorkommend. War das wirklich alles nur eine Maske? Oder … Moment. Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihn. Natürlich. Jetzt wurde ihr klar, weshalb ihr wirklich sein Gesicht vertraut vorgekommen war. Natürlich hatte das nichts mit dem alten Spiegel von Arianna zu tun. Bei jeder Führung durch den Palazzo Medici-Riccardi kamen sie auch an einem Gemälde vorbei – eine Kopie des Originals von Botticelli. Dieses Gemälde zeigte Giuliano de Medici, den begehrten Jüngling, den Liebling aller Florentiner. Jedes Mal, wenn die Touristen das Museum verlassen und sie ein paar Minuten Zeit für sich gehabt hatte, war sie vor diesem Gemälde stehen geblieben und hatte sich gefragt, was wohl die Faszination dieses jungen Mannes ausgemacht haben mochte und weshalb ihm die Florentiner zu Füßen gelegen hatten. Und wenn sie jetzt den Mann betrachtete, der kaum einen Meter von ihr entfernt stehend behauptete, ebenjener Giuliano zu sein, so konnte sie nicht anders, als ihm zu glauben. Er hatte die gleichen sanft gewellten und sorgfältig geschnittenen halblangen Haare, das leicht vorstehende Kinn, das für viele der Medici charakteristisch war, die ausgeprägte Nase. Und er hatte die gleiche Ausstrahlung, die gleiche Anziehungskraft, die sie sich nicht erklären konnte.
    Anne erschrak. Aber das war unmöglich. Dieser Giuliano konnte auf gar keinen Fall mit jenem Giuliano de Medici von dem Botticelli-Gemälde identisch sein, auch wenn er ihm geradezu verblüffend ähnelte. Denn das würde entweder bedeuten, dass der junge Mann vor ihr in Wahrheit ein Methusalem von mehr als fünfhundert Jahren war, oder dass sie sich … Aber das war natürlich völlig unsinnig. Nein. Das musste

Weitere Kostenlose Bücher