Verschwörung in Florenz
schon, was soll’s, dachte sie und würgte wieder, bis ihr fast die Sinne schwanden. Als der Anfall vorbei war, schluckte sie bittere Galle. Egal, was Thorsten macht, dir wird es nichts mehr nützen. Höchstens deiner Leiche, die wenigstens ordnungsgemäß bestattet werden könnte. Und deinem Geist natürlich, der – sofern Mecidea geschnappt wird – Genugtuung erfährt. Vorausgesetzt, es existieren morgen früh überhaupt noch irgendwelche Spuren von dir. Einer der beiden Männer schubste sie in die von unzähligen Kerzen hell erleuchtete Eingangshalle.
»Bringt sie in den Salon, Alfonso«, sagte eine angenehme männliche Stimme, deren Klang ihr fremd vorkam. »Ich werde sie dort verhören. Und dann entscheiden wir, ob und wann wir meinen Bruder verständigen.«
Verhör? Ein Hoffnungsstrahl zuckte durch ihren Kopf. Wenn man die Absicht hatte, sie zu verhören, dann war das Ganze vielleicht nichts weiter als eine Verwechslung, ein verhängnisvoller Irrtum. Dann meinte man gar nicht sie, sondern eine Frau, die ähnlich aussah oder einen ähnlich klingenden Namen hatte. Dann würde man sie bestimmt freilassen, sobald sich das Missverständnis aufgeklärt hatte. Doch dann dachte sie an die einschlägigen Filme und Romane, und ihre Hoffnung sank wieder auf den Nullpunkt. Nein, sie hatte zu viel gesehen, sie hatte zu viel gehört. Kein Verbrecher, der ein bisschen Verstand hatte, ließ einen Zeugen einfach laufen.
Die beiden Diener packten sie an den Oberarmen. Es tat so weh, dass sie glaubte, die Männer versuchten ihr die Arme zu brechen. Doch sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Sie hatte keine Kraft mehr zu schreien. Und sie hatte keine Kraft mehr, selbst auch nur einen einzigen Schritt zu gehen. Also schloss sie die Augen, ließ sich fallen und über den Boden schleifen. Was auch immer jetzt mit ihr geschehen würde, bald würde es vorbei sein. Bald würde alles vorbei sein.
»Madonna! Alfonso, Paolo! Was macht ihr denn da? Was fällt euch denn ein?« Der Mann, der diese Worte sprach, klang ehrlich entsetzt und entrüstet. »Seid ihr zwei denn von allen guten Geistern verlassen? Behandelt man so etwa eine Dame? Lasst sie los, und nehmt ihr diese fürchterlichen Fesseln ab!«
Es war die angenehme Stimme aus der Eingangshalle. Und die Worte machten sie noch sympathischer. Anne spürte, wie sich die Fesseln an ihren Handgelenken lockerten, der Strick um ihre Taille fiel zu Boden, und dann wurde ihr endlich – endlich! – der Knebel abgenommen. Erleichtert holte sie Luft. Gierig atmete sie ein und aus, als hätte man sie minutenlang unter Wasser gehalten. Und mit jedem Atemzug spürte sie, wie ihre Kräfte in ihren Körper zurückkehrten und ihr Verstand wieder seine Arbeit aufnahm. Erst danach öffnete sie die Augen.
Vor ihr, kaum zwei Meter entfernt, stand ein Mann. Er war jung. Und er sah nicht einfach nur nett aus, er war so attraktiv, dass Anne sich regelrecht dazu zwingen musste, daran zu denken, was er ihr angetan hatte. Dass er und sein Kumpan Cosimo Mecidea sie gegen ihren Willen hier festhielten. Dass sie auf seinen Befehl hin von den beiden anderen Männern verfolgt und misshandelt worden war. Als sie an ihre Schmerzen, ihre panische Angst und ihre abgrundtiefe Verzweiflung dachte, kehrte auch ihre Wut zurück. Egal, wie gut dieser Kerl aussah und wie freundlich seine Stimme klingen mochte, er war ein Verbrecher. Zornig starrte sie den jungen Mann an, der immer noch das Kostüm eines florentinischen Edel- oder Kaufmanns aus dem 15. Jahrhundert trug. Er sah aus, als wäre er direkt einem Porträt aus den Uffizien entstiegen. Und er kam ihr – im Gegensatz zu Mecidea – bekannt vor.
»Sind Sie etwa für das alles verantwortlich?«, fragte sie.
»Im Grunde ja, doch ich …«
Das reichte. Anne holte aus und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
»Ich weiß nicht, wer Sie sind oder für wen Sie arbeiten, aber eines sage ich Ihnen: So lasse ich mich nicht behandeln! Erst werde ich in dieses Haus gelockt, dann mit Drogen betäubt und schließlich misshandelt und entführt. Glauben Sie mir, das wird ein Nachspiel haben.«
»Verzeiht, Signorina, ich bitte Euch vielmals um Entschuldigung«, sagte der junge Mann. Er hielt sich die Wange, wirkte jedoch keineswegs wütend, höchstens überrascht. »Es tut mir wirklich Leid. Niemals war es meine Absicht, Euch Unannehmlichkeiten zu bereiten oder Euch gar ein Leid zuzufügen. Vermutlich ist das Ganze ja nur ein Missverständnis und …«
»Das glaube
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