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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Dabei war dieser Harlekin noch jung. Sehr jung sogar. Er mochte kaum älter als zwanzig sein.
    »Du hast einen klugen Kopf, Bursche«, sagte Cosimo. »Und du besitzt den Mut der Verwegenen, Unerschrockenen. Beides in einer Person ist selten. Ich würde dich deshalb gern belohnen.«
    Doch bevor Cosimo zu seiner Geldbörse greifen konnte, legte ihm der Harlekin eine Hand auf den Arm. Es war eine überaus vertrauliche Geste, ein geradezu ungeheuerlicher Vorfall, der mehr als die Grenzen der gesellschaftlichen Ordnung verletzte. Unter normalen Umständen hätte Cosimo voller Abscheu die Hand des Mannes gepackt und von sich abgeschüttelt, selbst wenn dieser zur vornehmen Gesellschaft gehört hätte. Doch seltsamerweise fand er nichts Abstoßendes an dieser Gebärde. Dieser junge halb verwahrloste Harlekin hatte ein Recht, ihn zu berühren. Er war ihm ebenbürtig.
    »Nicht, Herr, Ihr wollt mich doch nicht etwa beschämen? Mich der großen Ehre berauben, einem Spross der erlauchten Familie der Medici Vergnügen bereitet zu haben? Diese Ehre allein wird mich gewiss eine Woche oder noch länger ernähren. Ich werde mir den Ehrentitel ›Narr der Medici‹ verleihen lassen. Danach werden die Münzen vor lauter Freude in meinen Hut springen wie die Flöhe auf einen Hund in den rückseitigen Gassen Eurer Paläste. Lasst also Eure Börse stecken, Herr, und wie gewöhnlich die Bauern, Kutscher und Waschweiber die Zeche zahlen.«
    Die Worte kamen dem jungen Burschen so leicht und rasch über die Lippen, dass man ihm kaum böse Absichten unterstellen konnte. Und ein Mann mit weniger Verstand als Cosimo hätte zweifelsohne nicht einmal die Maßregelung bemerkt, die in diesen Worten verborgen war. Worte, geschliffen und scharf wie ein spanisches Schwert, dass einem Mann das Haupt vom Rumpf trennen konnte, ohne dass er dessen gewahr wurde. Dieser Junge war ohne Zweifel ein Freigeist, ein Aufrührer, vielleicht sogar ein Ketzer. Er kannte keinen Respekt und hatte wahrscheinlich noch nicht einmal Angst vor den Konsequenzen seiner Reden. Er war ein Fall für den Richter – oder den Kardinal. Doch gerade diese unerschrockene Ehrlichkeit gefiel Cosimo. Und im Gegensatz zu jedem anderen Mitglied seiner eigenen oder einer der anderen vornehmen Familien der Stadt dachte er nicht einen Augenblick daran, den jungen Mann für seine »Frechheit«, bei der es sich letztlich um nichts anderes als die in elegante Worte gekleidete Wahrheit handelte, bestrafen zu lassen.
    »Wahr gesprochen, ohne Zweifel«, sagte er und lächelte. »Wenn dir jedoch dein Kopf an jener Stelle gefällt, an der er gerade sitzt, solltest du vorsichtig mit der Wahl deiner Gesprächspartner – oder deiner Worte – sein.«
    »Herr, ich danke Euch für Eure Nachsicht und die mit Euren freundlichen Worten verbundene Warnung«, sagte der Harlekin und verneigte sich tief. »Ich werde sie beherzigen und Euch und Euresgleichen vorerst nicht mehr belästigen.«
    Er drehte sich um und verschwand behände in der Menschenmenge. Cosimo sah ihm lächelnd nach.
    Wahrscheinlich ist er sich nicht sicher, ob ich meine Meinung nicht doch ändere und die Wachen rufen lasse, dachte er und schlenderte gemächlich weiter. Er war immer noch erstaunt darüber, dass der Harlekin ihn zum Lachen gebracht hatte. Seit vielen Jahren schon war ihm das Lachen vergangen. Wie wohl es tat und wie leicht seine Füße ihn jetzt über das schmutzige Pflaster des Marktes trugen. Es war ein herrliches Gefühl, auch wenn es wahrscheinlich nur von kurzer Dauer sein würde.
    Cosimo ließ den Marktplatz hinter sich und bog gerade um die letzte Ecke, um den Kutscherplatz zu erreichen, als ihm plötzlich ein Paar bunt bekleideter Beine auffiel, das hinter einer Säule hervorragte.
    Das ist doch mein junger Freund, der Harlekin. Was mag der Bursche hier verloren haben?, fragte er sich und ging leise näher.
    Der junge Mann hörte ihn nicht kommen. Zu sehr war er damit beschäftigt, Geld zu zählen, das er aus einer Börse nahm. Einer Börse, deren Leder und Machart Cosimo sehr vertraut war – seiner Börse.
    »Das ist also der wahre Grund für deine Bescheidenheit«, sagte er laut und wusste einen Augenblick lang nicht, ob er lachen oder zornig sein sollte. Der junge Mann zuckte erschrocken zusammen, doch schon im nächsten Moment schien er sich wieder gefasst zu haben.
    »Nun, Herr, seid ehrlich, denn hier hören nur ich und der Herr im Himmel Eure Antwort. Wie viel hättet Ihr mir gegeben? Eine Münze.

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