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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Angewandte Physik. Der Professor wäre bestimmt stolz auf sie.
    Sie setzte ihre Wanderung durch das Zimmer fort und runzelte die Stirn. Zeit heilt bekanntlich alle Wunden. Was also könnte so schlimm sein, dass man selbst in fünfhundert Jahren Lebenszeit damit nicht fertig zu werden vermochte? Es musste eine Tat sein, bei deren Sühne auch Geld, Einfluss und Wissen nicht helfen konnten. Betrug? Untreue? Verrat? Anne schüttelte den Kopf. So kam sie nicht weiter.
    Aber vielleicht gab ihr das Datum einen Hinweis. Es musste doch einen Grund geben, weshalb Cosimo sie ausgerechnet in das Jahr 1477 geschickt hatte. Sie zuckte zusammen, als ein unangenehmer Gedanke in ihrem Hirn aufblitzte. Vielleicht hatte Cosimo sich gar nichts dabei gedacht? Vielleicht hatte er sie einfach aus Spaß quer durch die Zeit geschickt? Vielleicht wollte er nur mal sehen, wie sie reagierte? Vielleicht war das hier nichts weiter als einer jener Scherze, von denen Giuliano gesprochen hatte, Scherze, über die niemand lachen konnte außer Cosimo selbst. Und sie war einfach nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
    »Nein!«, sagte Anne laut und schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein.«
    Dafür hatte Cosimo alles viel zu genau geplant. Jemand, der sich einen wahllosen Scherz erlauben wollte, bereitete nicht wochenlang alles ganz genau vor. Er wartete nicht auf eine bestimmte Person, sondern nahm sich ein beliebiges Opfer vor, das ihm gerade über den Weg lief. Hatte Cosimo nicht selbst zu ihr gesagt, dass er schon lange auf diesen Tag – und auf sie – gewartet habe? Das hatte durchaus ehrlich geklungen. Und sie erinnerte sich noch gut an den Schauer, der ihr bei diesen Worten über den Rücken gelaufen war.
    Es war also kein Zufall, dass er sie ins Jahr 1477 und in die Arme seiner Familie geschickt hatte. Irgendetwas musste es also mit diesem Datum auf sich haben. Irgendein markantes Ereignis … Anne lief vor dem Kamin im Kreis, bis ihr fast schwindlig wurde, während sie die historischen Daten der Familie de Medici wieder aus ihrem Gedächtnis hervorkramte. 1449 Geburt von Lorenzo, gestorben war »il Magnifico« 1492; Giuliano, geboren 1453, gestorben 1478. 1477 verband sie lediglich mit der Entstehung einiger berühmter Gemälde. Die Geburt der Venus war zum Beispiel in diesem Jahr entstanden. Aber dieses wunderschöne Werk von Botticelli würde wohl kaum jemandem den Schlaf rauben, es sei denn, es ging um eine besonders geschickte Kunstfälschung. Anne biss sich auf die Lippe.
    Tja, wenn Cosimo sie ins Jahr 1478 geschickt hätte, das wäre schon etwas anderes. In diesem Jahr war eine Menge passiert, da wurde schließlich auch … Noch bevor sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, traf sie die Erkenntnis wie ein Hammerschlag.
    »Die Pazzi-Verschwörung«, flüsterte sie und blieb wie angewurzelt stehen. Das Blut wich aus ihren Wangen, und ihr Atem stockte. Ein Datum brannte sich in ihr Gehirn. Ein Datum, verbunden mit einem der wohl folgenschwersten Ereignisse für Lorenzo, die Familie Medici und die Stadt Florenz. Es war der 26. April 1478. Das Datum der Pazzi-Verschwörung. An diesem Tag war während der Messe im Dom ein Anschlag auf die Medici verübt worden, in dessen Folge Giuliano de Medici ermordet worden war. »Ihr« Giuliano.
    Anne wurde es abwechselnd heiß und kalt. Jedes Mal, wenn sie den staunenden Touristen von den Ereignissen jenes Sonntags erzählt hatte, hatte ihr Giuliano Leid getan, der schöne Jüngling, der heiß geliebte Bruder Lorenzos und der Liebling aller Florentiner. Sie hatte sich gefragt, weshalb es ausgerechnet ihn getroffen hatte, warum er hatte sterben müssen. Damals hatte sie Mitleid mit ihm gehabt. Mittlerweile kannte sie ihn. Jetzt war er mehr als nur ein hübsches, eindrucksvolles Gemälde von Botticelli, das in den Uffizien und im Museum hing. Jetzt, in diesem Augenblick atmete, lachte, lebte er. Noch vor wenigen Minuten hatte sie seine fröhliche, angenehme Stimme in der Halle gehört. Und sie …
    Vielleicht hat Cosimo etwas mit diesem Attentat zu tun, dachte Anne. Möglicherweise ist es das, was ihn bedrückt, was ihm die Ruhe und den Schlaf raubt, was wie ein Fluch auf ihm lastet – der abscheuliche Mord an seinem Vetter Giuliano.
    Plötzlich kehrte das Blut wieder in ihren Kreislauf zurück.
    »Das ist es!«, sagte sie leise zu sich und ballte die Hände zu Fäusten. »Das ist die Aufgabe, die Cosimo mir zugedacht hat. Jetzt ist erst Oktober. Noch ist Zeit bis zum

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