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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Exemplar begegnete, wünschte sie sich nur eines – etwas mehr Verworfenheit.
    Obwohl sie und Giuliano ständig zusammen waren, ihre Mahlzeiten gemeinsam einnahmen, gemeinsam Ausflüge in die Stadt und die Umgebung unternahmen, hatte er noch nicht einmal wirklich versucht ihr näher zu kommen. Dabei spürte sie genau, dass zwischen ihnen mehr bestand als nur die Freundschaft zwischen Gast und Gastgeber. Selbst Matilda hatte sich ihr gegenüber schon öfter zu anstößigen Bemerkungen hinreißen lassen, Bemerkungen, von denen Anne sich wünschte, dass an ihnen etwas Wahres dran gewesen wäre. Tatsächlich jedoch war da nichts. In den ganzen zwei Wochen war nichts geschehen, was auch nur eine Zeile in der Klatschspalte einer Tageszeitung verdient hätte. Gar nichts. Es war zum Verrücktwerden.
    »Was wollt Ihr mir heute zeigen?«, fragte sie und knetete den kleinen Beutel aus bestickter Seide, in dem sich ihre Parfümprobe, das leere Feuerzeug, die Schachtel mit den Zigaretten – zwei waren immerhin noch übrig, für den Notfall – und ihr Lippenstift befanden. Sie trug den Beutel ständig bei sich. Einerseits natürlich aus Vorsicht vor den neugierigen Augen der Mägde, andererseits war er ihr mittlerweile schon zu einer Art Talisman geworden, eine Erinnerung daran, dass sie tatsächlich aus einer anderen Welt stammte. Und dass die Zeit im Florenz der Medici, so schön und angenehm sie es auch empfinden mochte, schon beim nächsten Erwachen wieder vorbei sein konnte.
    Giuliano schüttelte lächelnd den Kopf. »Lasst Euch überraschen, Signorina Anne«, antwortete er und zwinkerte leicht. »Ich bin sicher, es wird Euch gefallen.«
    Gewiss, dachte Anne und sah aus dem Fenster. Der Blick, mit dem Giuliano sie ansah, machte sie fast wahnsinnig. Warum ist er nur so verdammt höflich? Wenn dieser Kerl nicht bald etwas unternimmt, wenn er nicht bald … Dann weiß ich nicht, was ich tue.
    Sie fuhren am Dom Santa Maria del Fiore vorbei und bogen in eine Seitenstraße ein. Immer wieder zog der Anblick des mittelalterlichen Florenz Anne in seinen Bann. Dabei hatte sich bis zum 21. Jahrhundert nicht wirklich viel verändert. Gut, einige Häuser und Straßen waren der Anlage von größeren Flächen und Parks gewichen, und ein ganzes Stadtviertel hatte dem Bahnhof Platz machen müssen, doch ein Großteil der Gebäude war nahezu unverändert erhalten geblieben. Es war ein merkwürdiges Gefühl, aus dem Fenster der Kutsche zu schauen, das Klappern der Hufe auf dem Steinpflaster zu hören und dabei an Häusern vorüberzufahren, denen fünfhundert Jahre kaum etwas angehabt hatten. Anders war im Oktober 1477, dass Elektrizität und Leuchtreklamen fehlten, an den Straßenrändern keine Autos parkten und die vorübergehenden Passanten altertümliche Kleidung trugen, doch das war passend, das war wunderschön. Und manchmal fühlte sie sich so heimisch, als wäre sie hier und in dieser Zeit geboren worden.
    Erneut bog der Kutscher in eine Seitenstraße ab, und Anne musste sich am Türgriff festhalten, um nicht ihr Gleichgewicht zu verlieren. Dann bremste der Kutscher. Das geschah so abrupt und aus heiterem Himmel, dass Anne nun wirklich jeden Halt verlor. Mit ausgestreckten Händen stürzte sie nach vorne und landete weich – direkt in Giulianos Armen.
    »Hoppla!«, sagte er und sah sie so überrascht an, als wäre sie geradewegs vom Himmel in seine Arme gefallen. Doch dann breitete sich ein Lächeln über sein hübsches Gesicht aus. Er packte sie fester, zog sie sanft auf seinen Schoß und küsste sie. Der Damm war gebrochen.
    Endlich, dachte Anne und erwiderte den Kuss mit aller Leidenschaft, zu der sie fähig war. Endlich! Dem unachtsamen Kutscher sei Dank!
    Doch genau in diesem Augenblick öffnete sich der Verschlag. Sich verlegen räuspernd stand dort eben jener Kutscher, den Anne gerade noch gelobt hatte.
    »Herr … Ich meine … Wir sind da«, sagte er und zerknautschte seine Mütze zwischen seinen großen schwieligen Händen, als würde er ahnen, dass sein Auftauchen nicht gerade Jubel und Freude auslöste. In der Tat wünschte Anne den Mann gerade zum Kuckuck.
    »Oh, ja, natürlich, Giuseppe«, sagte Giuliano und schien ebenfalls zwischen Enttäuschung und Wut hin und her zu schwanken. Er half Anne, sich wieder aufzurichten. »Hast du dir wehgetan?« Anne schüttelte den Kopf, und er warf einen zweifelnden Blick hinaus. »Wollen wir wirklich? Ich meine, wir können auch einfach umkehren und wieder nach Hause fahren und

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