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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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es jedoch nicht. Es war beschämend.
    Entschlossen lenkte Cosimo seine Schritte in Richtung der Kirche Santa Maria Novella. Es war Markttag, viel Volk würde auf den Beinen sein und sich auf dem Platz vor der Kirche tummeln. Eigentlich war für diesen Tag Cosimos Bedarf an den Ausdünstungen von Menschen gedeckt, sodass er liebend gern diesen Ort gemieden hätte, aber es gab einen guten Grund, ausgerechnet den Weg nach Santa Maria Novella einzuschlagen. An der Rückseite der Kirche befand sich nämlich eine kleine Straße, in der für gewöhnlich eine Hand voll Kutscher bereitstanden und auf Kundschaft warteten. Einfache, preiswerte Kutschen mit ungepolsterten Sitzen, doch die Kutscher waren verschwiegen und stellten keine Fragen. Und wenn man wollte, brachten sie ihren Fahrgast überallhin, sogar bis nach Siena oder Pisa – wenn jemals ein Florentiner freiwillig dorthin hätte fahren wollen.
    Auf dem Marktplatz vor der Kirche herrschte, so wie Cosimo es erwartet hatte, dichtes Gedränge. Dabei gab es an den Ständen wahrlich nichts Außergewöhnliches zu bestaunen. Bauern und Viehhändler verkauften ihre Erzeugnisse, Töpfer boten Geschirr und Weber Stoffe an. Alles war von einfacher, derber Qualität und entsprechend billig. So gewöhnlich und schmucklos die Waren, so gewöhnlich und schmucklos waren auch ihre Käufer. Es waren Waschfrauen, Handwerksburschen, Kutscher, Tagediebe und zweifelhaftes Gesindel. Schlechte Haut, ungepflegte Haare und alte, unsaubere Kleidung waren hier ein alltäglicher Anblick. Und statt nach Parfüm, feinen Backwaren und edlen Gewürzen roch es nach Schweiß, ranzigem Fett und schlechtem Käse. Natürlich gab es auch hier, so wie auf jedem Markt, Gaukler. Schlecht genährte barfüßige Kinder bestaunten mit großen Augen die Kunststücke der Jongleure und klatschten dem Feuerschlucker wilden Beifall. Auch ein Harlekin war unter ihnen, ein magerer Bursche in einem grellbunten Kostüm, das wie bei einer Vogelscheuche um seine dürre Gestalt herumflatterte und gewiss schon seit vielen Monaten weder Wasser noch Seife gesehen hatte. Allerdings hatte der Harlekin eine scharfe Zunge, die dem Narren am Hofe eines Edelmannes alle Ehre gemacht hätte. Beredt umschwänzelte er die Bauern, Mägde und Köchinnen, lobte hier, pries dort, stichelte und verspottete und war dabei so schlagfertig und gewitzt, dass selbst Cosimo, der jede Art von geschliffener Rede schätzte, für eine Weile seinen Ärger über sich selbst vergaß und stehen blieb, um sich das Schauspiel anzusehen.
    Der Harlekin ahmte gerade auf vortreffliche Weise Lorenzo de Medici nach. Er spazierte auf und ab, mit stolz erhobenem Kopf und breiter Brust, befahl einem Bauern, ein Gedicht zu verfassen, bestellte bei einer Waschfrau ein Gemälde mit nicht weniger als einhundert Schafen darauf, noch dazu in himmelblau, und ließ schließlich als »Almosen« Kiesel auf die Zuschauer regnen. Selbst Cosimo musste lachen. Da fiel die Aufmerksamkeit des Harlekin auf ihn.
    »Oh, seht nur, meine Freunde!«, rief er laut aus und sprang unter dem Geklingel der Schellen an seinen Hand- und Fußgelenken aufgeregt näher. »Seht doch nur, welch edler Herr sich in unserer Mitte befindet! Genau zwischen den Ausdünstungen der Hässlichen und Mittellosen. Verzeiht, dass ich Euch nicht eher begrüßt habe, Herr!«, fuhr er fort und verneigte sich übertrieben tief. »Und verzeiht meine lose Zunge. Keinesfalls war es meine Absicht, Euch und Euren teuren Verwandten zu beleidigen.«
    Cosimo lächelte. »Natürlich nicht. Das glaube ich dir aufs Wort«, sagte er. »Aber deine Vorstellung eben war erfreulich kurzweilig. Nicht jeder deiner Zunft weiß mit dem Instrument der Sprache so gut umzugehen wie du, und deshalb sei dir Verzeihung gewährt. Doch verrate mir, woher du weißt, dass ich aus demselben Hause stamme wie jener, den du so vortrefflich nachgeahmt hast.«
    Ein listiges Funkeln trat in die Augen des Harlekins.
    »Sagen wir, ich sah es Euch an der Nasenspitze an. Oder auch am Kinn. Ganz wie es Euch beliebt, edler Herr.«
    »Ja, wirklich, es ist sehr markant. Beinahe unverwechselbar«, entgegnete Cosimo und rieb sich das Kinn.
    »In der Tat, edler Herr«, erwiderte der Harlekin und verneigte sich erneut. »Ich selbst hätte es nicht besser ausdrücken können.«
    Cosimo lächelte wieder. Es war selten, dass ein Mann, der nicht einer der reichen Kaufmannsfamilien angehörte, auf einen der Medici traf und nicht vor Ehrfurcht und Staunen erstarrte.

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