Verschwörung in Florenz
April. Der ganze Winter und der Frühling liegen noch vor uns, bis es so weit ist. Noch können die Weichen gestellt und das Attentat verhindert werden. Und genau das werde ich auch tun.«
IV
Simonettas Lächeln
Fast zwei Wochen waren seit der Begegnung mit der Fremden verstrichen. Noch immer wagte Cosimo es nicht, sich an diese Frau zu wenden, um sie nach ihrer eigenen und der Herkunft des Briefes zu befragen. Freundlich gemeinte Einladungen seines Vetters Giuliano zu einem Abendessen oder einem Ritt schlug er aus, nur um ihr nicht begegnen zu müssen. Natürlich war er sich bewusst, dass er erst dann Antworten erhalten würde, wenn er auch bereit wäre, endlich die notwendigen Fragen zu stellen. Immer wieder begab er sich in die Nähe von Giulianos Haus, um mit der Fremden zu sprechen. Doch statt an die Tür zu klopfen und um Einlass zu bitten, schlich er stets wie eine Katze um den heißen Brei um das Haus herum, schlenderte mehrmals die Straße auf und ab, begab sich sogar zum Hintereingang in eine dieser stinkenden schmalen Gassen, die zwischen den Rückseiten der prächtigen Häuser der reichen und vornehmen Kaufleute lagen. Nach vorne waren die Paläste der Vornehmen allesamt schön und sauber, doch in ihrem Rücken, dort, wo es die wohlhabenden Bürger weder sehen noch riechen konnten, türmten sich die Abfälle, faulten stinkend vor sich hin und boten reichlich Nährboden für Ratten und anderes Ungeziefer. Für ihn, den Ästheten, der gern schöne, angenehme Dinge um sich hatte und große Summen für die Einrichtung und Ausstattung seines Hauses ausgab, war dieser Anblick immer besonders schwer zu ertragen. Doch selbst wenn er sich überwunden, seinen Ekel bezwungen und diesen unerfreulichen Weg eingeschlagen hatte, kehrte er schließlich unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurück. Um sich dort über sich selbst und seine abscheuliche, erniedrigende Feigheit zu ärgern.
So wie an diesem Tag. Cosimo hatte gerade den Weg zum Hintereingang von Giulianos Haus hinter sich gebracht. Wieder ohne Erfolg. Wenn man einmal davon absah, dass es ihm gelungen war, im letzten Augenblick einem Kübel voller Küchenreste auszuweichen, den eine Küchenmagd aus einem der anderen Häuser zum Fraß für Hunde, Katzen und Ratten auf die Straße geschüttet hatte. Er haderte mit sich, schimpfte sich selbst einen Tölpel und hätte sich am liebsten auf offener Straße geohrfeigt. Weshalb nur gelang es ihm nicht, einfach an die Tür zu klopfen, so wie er es schon tausendmal getan hatte, und den vertrottelten alten Hausdiener zu fragen, ob die Signorina wohl anwesend sei und ob sie bereit sei, ihn zu empfangen? Selbstverständlich hätte dieser Wunsch in Enricos Augen anstößig gewirkt und Argwohn und Entrüstung erzeugt. Die Signorina war schließlich unverheiratet und immerhin Gast im Hause seines Vetters. Möglich, dass Enrico ihm sogar den Einlass verweigert hätte. Doch unter normalen Umständen hätte Cosimo dies überhaupt nicht gestört. Im Gegenteil, er hätte sich am Entsetzen und der Abscheu der Diener ergötzt, hätte ihnen ins Gesicht gelacht, sich Zutritt zum Haus verschafft und sich dabei über die Begrenztheit und Kleinlichkeit der Moral dieser Leute amüsiert. Weshalb also verließ ihn stattdessen jedes Mal aufs Neue der Mut, lediglich einen Schritt von der Haustür entfernt? Er kannte sich selbst nicht mehr. Er machte sich noch zum Gespött von ganz Florenz.
Bald werden die Gassenjungen Spottlieder auf dich singen, den Hasenfuß, den Gernegroß, dem an der Tür einer Fremden sein Herz bis in die Tiefen seiner Beinkleider hinab-rutscht, dachte Cosimo und hätte sich gern eigenhändig zu der Haustür seines Vetters gepeitscht, wenn er nur das Gefühl gehabt hätte, dass es der Sache dienlich gewesen wäre. Nein, es hatte keinen Zweck. Auch an diesem Tag würde er den notwendigen Mut nicht aufbringen. Wenigstens ließen ihn seine nächtlichen Gespenster in Ruhe, seit diese Frau aufgetaucht war. Er hatte jetzt andere Sorgen. Möglich, dass er sich deshalb nicht traute, mit ihr zu sprechen. Wenn dieses Problem erst gelöst wäre, würden die namenlosen, schrecklichen Gesichter gewiss wiederkehren und ihn erneut peinigen.
Cosimo stieß einen tiefen Seufzer aus und verließ die schmale, schmutzige Gasse. Er würde es an einem anderen Tag wieder versuchen. Vielleicht schon morgen. Und dann, ja, vielleicht würde er es dann endlich fertig bringen, sein Vorhaben auch auszuführen. Vielleicht. Wahrscheinlich war
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