Verschwörungsmelange
praktisch einer Verschwörung gleichkommt, birgt eher den Keim einer Gewalttat
in sich, als dass sie zum zukünftigen Gedeih unseres Kaffeehauses beizutragen
vermag. Noch dazu, wo es dabei um eine heikle Angelegenheit geht: das Überleben
eines Traditionsvereines, gepaart mit sportlicher Rivalität, Missgunst und
Neid. Da ist viel Platz für Aggressionen, und Ihre ›Hymne‹ wird die Leute nur
noch narrischer machen.«
Frau Heller schüttelte nur abermals den Kopf und verschwand
mit den letzten Takten ihres neuen Lieblingsliedes etwas indigniert in der
Küche. Leopold wurde anlässlich eines weiteren Lautstärketests der Anlage durch
Herrn Heller nun auch von den letzten übriggebliebenen Gästen zum Zahlen
gebeten. »Bitte uns ab morgen wieder zu beehren, da läuft wieder alles normal«,
bemerkte er entschuldigend. »Das ist halt der neue weibliche Führungsstil, da
kann man nichts machen.«
Und dann war etwas passiert, was sonst nur sehr selten
geschah: Das Café Heller war leer, mitten am Tag. Das Spielfeld war gewaltsam
geräumt worden, die Teilnehmer an der Besprechung konnten einmarschieren.
*
Gegen 19 Uhr trafen die ersten Anhänger der
Eintracht ein, und es wurden rasch mehr. ›You’ll never walk alone‹ dröhnte
jetzt wiederholt aus den Lautsprechern, diesmal mit anerkennendem Beifall
akklamiert. Jeder Gast wurde vom Ehepaar Heller persönlich begrüßt. Und Leopold
bekam rasch jede Menge zu tun.
Der hintere Teil des Lokals, der sonst für die Kartenspieler
gedacht war, von denen sich heute aber nicht einmal die eine angesagte
Tarockpartie blicken ließ, war in eine stimmige Fußballecke umgewandelt worden.
In der strategischen Mitte der u-förmig angeordneten Tische saß der
offensichtliche Kopf der Verschwörung, ein langjähriges Vereinsmitglied namens
Lukas Hamm, der nun Anstalten machte, die Sitzung zu eröffnen.
»Liebe Freunde«, begann er. »Ich glaube, jeder von euch weiß,
warum wir heute Abend hier zusammengekommen sind. Jahre –, ja, jahrzehntelang
hat es die Floridsdorfer Eintracht zuwege gebracht, im fairen sportlichen
Wettkampf mit den ihr zur Verfügung stehenden bescheidenen finanziellen Mitteln
ihren Mann zu stehen. Und das soll jetzt auf einmal alles anders werden? Unser
Verein soll mitsamt seiner Sportstätte ausgelöscht werden auf immer und ewig?
Sodass man dereinst nur noch in den Annalen wird nachlesen können, wer die
Eintracht aus Floridsdorf war? Und warum? Nur, weil ein vielfacher Millionär
aus Kanada und einige mit Geld leicht zu überzeugende Funktionäre es sich in
den Kopf gesetzt haben? Nein, sage ich, und abermals nein!«
Erstmals brandete tosender Applaus auf. Danach schilderte
Hamm ausführlich, was er um die aktuellen Fusionspläne wusste und kam
schließlich zu den vorgesehenen Gegenmaßnahmen:
»Die Entscheidung darüber, was mit unserer Eintracht in
Zukunft geschehen wird, fällt bei der Generalversammlung nächste Woche. Da erst
wird sich herausstellen, welche Richtung die Dinge wirklich nehmen. Darum
glaubt niemandem, der euch sagt, man könne nichts mehr machen, es sei alles
schon vorherbestimmt. Im Gegenteil: Jeder von uns hat es in der Hand, die
Fusion zu Fall zu bringen, durch seine Stimme. Und wir müssen weitere
Mitglieder werben, die sich innerhalb dieser Woche einschreiben lassen und dann
bei der Generalversammlung stimmberechtigt sind. Wir wissen, dass uns der
Vereinsvorstand derzeit diesbezüglich alle möglichen Schikanen in den Weg legt.
Deshalb freut es mich, euch mitzuteilen, dass ich Herrn Doktor Stamberger als
Anwalt gewinnen konnte, der darauf achten wird, dass jedes neue Mitglied zügig
aufgenommen werden kann.«
Ein kleiner, unscheinbarer Mann in einem grauen Anzug mit
roter Krawatte stand auf und verneigte sich. Wieder tosender Applaus. Hamm fuhr
fort: »Wir brauchen also keine Angst zu haben, dass uns irgendjemand übervorteilt.
Das sollte uns Mut machen. Viele werden aber jetzt fragen: Tun wir der
Eintracht etwas Gutes, wenn wir so um ihre Existenz kämpfen? Hat sie die Kraft,
allein und finanziell unabhängig weiterzuleben, oder steht ihr Ende unmittelbar
bevor?«
Aufgeregtes Gemurmel. Das war offensichtlich ein Punkt, über
den völlige Unklarheit herrschte.
»Ich möchte unseren Elektrohändler, Herrn Payer, und Herrn
Malota, Besitzer von Floridsdorfs traditionsreichem Schuhgeschäft,
stellvertretend für jene Betriebe nennen, die sich bereit erklärt haben, der
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