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Verschwörungsmelange

Verschwörungsmelange

Titel: Verschwörungsmelange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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wissen.
    Manuela schüttelte den Kopf. »Er kommt später. Er arbeitet
noch, und danach muss er ja immer auf einen Sprung auf dem Fußballplatz
vorbeischauen, was es bei der Eintracht Neues gibt«, seufzte sie.
    »Darf Papa überhaupt wissen, dass Herr Korber mir jetzt
Nachhilfe gibt?«, fragte Reinhard.
    »Nein, natürlich nicht«, lächelte Manuela ein bisschen
verkrampft. »Mein Mann Klaus ist in dieser Hinsicht sehr streng. Wenn mein Sohn
Nachhilfe braucht, ist er nicht reif fürs Gymnasium, sagt er. Also schweigen
wir lieber und halten deine Existenz geheim, sonst nimmt er Reinhard womöglich
von der Schule. Imstande dazu wäre er.«
    »Aber Fußballspielen muss der Bub unter allen Umständen«,
kritisierte Korber.
    »Ja. Das bildet sich Klaus eben ein. Er ist, was diese Sache
betrifft, leider ein Fanatiker. Aber bis jetzt hat es Reinhard ja auch gut
getan.«
    »Morgen gehe ich aber nicht zum Training. Es stimmt, es ist
besser, wenn ich mich jetzt auf die Schule konzentriere«, protestierte Reinhard
mit einem Mal.
    »Da werden wir erst sehen, was Papa dazu sagt.«
    »Es ist mir egal, was er sagt. Ich gehe nicht. Die können mich
alle mal«, wiederholte Reinhard und lief plötzlich mit hochrotem Kopf aus dem
Zimmer.
    »Was hat er denn?«, fragte Korber.
    Manuela Stary zuckte mit den Achseln. »Genau weiß ich es
nicht. Er traut sich nicht, es mir zu sagen. Aber er hat zur Zeit eine Stinkwut
auf seinen Trainer, so viel habe ich mitbekommen. Leider hat Reinhard am
Sonntag den Ausgleichstreffer verschuldet, in der letzten Minute. In solchen
Fällen kann Robert Moser – sein Trainer – sehr vulgär sein, manchmal sogar
richtig gemein. Er ist ein ordinärer Prolet, wenn du mich fragst. Ich kann ihn
überhaupt nicht leiden.«
    Manuela Stary begann, den Tisch abzuräumen. Einen Augenblick
lang überlegte Korber, ob er ihr helfen sollte, aber sie war flink und
geschickt, und ehe er sich’s versah, hielt er wieder nach ihren – diesmal
allerdings gut versteckten – Reizen Ausschau.
    »Das Dumme ist nur, dass Moser und Klaus sich so
gut verstehen«, redete sie weiter. »Beide schreien sie gern herum und spielen
den starken Mann. Junge Menschen wie Reinhard sind für sie verweichlichte und
weltfremde Träumer. Und von der Schule hält Klaus, wie gesagt, auch nichts. Es
wird dem Buben wohl nichts anderes übrig bleiben, als weiter zum Training zu
gehen und zu spielen.«
    Die ganze Zeit über hatte sie, das Gesicht von Korber abgewandt,
versucht, ein wenig Ordnung in die geräumige Küche zu bringen. Jetzt drehte sie
sich um und sah ihm prüfend in die Augen. »Warum sind Männer ab einem gewissen
Alter eigentlich nicht mehr romantisch?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, kam es ein wenig unsicher von Korber.
    »Du bist doch Lehrer. Sind wenigstens Lehrer romantisch?«
    »Ich … ich weiß es nicht«, versuchte Korber ein Lächeln.
    »Du unterrichtest auch Deutsch, hast du gesagt.
Weißt du, was ich schon immer einmal wollte? Dass mir jemand ein Gedicht
aufsagt. Ein schönes, romantisches Gedicht«, sagte Manuela Stary. Dabei setzte
sie sich wieder zu Korber an den Tisch und rückte ganz nahe zu ihm.
    Korber fühlte eine leichte Röte in sich aufsteigen. Sollte
er … ?
    »Du musst doch eine Menge Gedichte kennen«, bohrte Manuela
weiter. »Bei uns in der Schule mussten wir ständig Gedichte vorlesen oder
auswendig vortragen. Ist das heute denn nicht mehr so?«
    Korber wurde immer verlegener. »Nun ja, die Kinder von heute
wissen mit Gedichten nicht mehr viel anzufangen«, antwortete er ausweichend.
»Es ist oft dankbarer, mit Songtexten zu arbeiten.«
    »Ach was, Songtexte.« Wieder war ihre Hand kurz auf seiner,
wie schon im Kaffeehaus. »Ich möchte jetzt ein romantisches Gedicht hören, und
zwar von dir.«
    Schon als Kind hatte Korber dazu herhalten müssen, bei allen
möglichen Anlässen oder Gelegenheiten etwas aufzusagen, oder – und das war ihm
jetzt, wo er daran zurückdachte, besonders peinlich – zu singen. Seine helle,
noch nicht gebrochene Stimme hatte damals auf die Eltern, die Großeltern oder
die Freunde vom Papa besonders einschmeichelnd gewirkt. Es war automatisch aus
ihm herausgesprudelt, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Aber hatte er
es wirklich gern getan, oder hatte er nur eine leichte Form der Dressur über
sich ergehen lassen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass man Kinder gern
zur Schau stellte, und dass er das als unnötige

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