Verschwörungsmelange
Floridsdorfer Eintracht im nächsten Jahr als Sponsor unter die Arme zu
greifen«, sagte Hamm. Wieder frenetischer Beifall. »Allerdings«, wandte er nun
ein, »haben sie ihre Unterstützung davon abhängig gemacht, dass sich Herr
Sonnleitner die Sache überlegt und zumindest für ein weiteres Jahr Präsident
bleibt. Wir müssen ihn also davon abbringen, den Verein zu verlassen, und zwar
rasch.«
»Der kann nicht mit dem Ehrentraut«, kam ein Zwischenruf.
»Solange der Ehrentraut da ist, könnt ihr den Sonnleitner
vergessen«, hörte man.
»Der Ehrentraut hat Geld vom Sonnleitner in die eigene Tasche
gesteckt.«
»Woher willst du das wissen?«
»Das weiß doch jeder.«
»Also müssen wir den Ehrentraut abservieren.«
»Jawohl, weg mit ihm.«
»Das wird nicht so leicht sein«, meldete sich Lukas Hamm
wieder zu Wort. »Selbst wenn Ehrentraut Vereinsgelder veruntreut haben sollte,
was einige von uns glauben, sind unser Verein und der Sportplatz längst
Geschichte, bis es zu einer eventuellen Verurteilung kommt.«
»Weg mit ihm«, rief wieder jemand laut.
»Wir sollten ihn öffentlich zur Rede stellen.«
»Nein, weg mit ihm.«
»Er ist der Totengräber der Eintracht.«
»Am liebsten würde ich dem schleimigen Affen eine Lektion
erteilen, die er so schnell nicht wieder vergisst!« Jörg Wotruba, der neben
Paul Wittmann saß, war es, der sich mit vor Alkohol und Aufregung heiserer
Stimme nicht mehr beherrschen konnte.
Die Stimmung schien zu kippen. Ehrentraut stand allem im Weg,
der vermaledeite, geschniegelte Ehrgeizling Ehrentraut. Die einen schwiegen
resignierend, die anderen machten ihrem Ärger laut Luft. Aber wie man den
ungeliebten Wolfgang Ehrentraut loswerden sollte, wusste anscheinend keiner.
In all dieser Aufregung betrat, zunächst von der Menge
unbemerkt, ein nicht allzu großer, hagerer Mann das Kaffeehaus, der beim Gehen
den linken Fuß leicht nachzog. Er blieb an der Theke stehen, bestellte sich ein
Bier und einen großen Weinbrand und zündete sich eine Zigarette an. Er war
nicht ungepflegt, sah aber verlebt aus. Das Gesicht hatte eine ungesund
rötliche Färbung und war von kleinen Narben und Falten durchzogen. Das ließ ihn
älter erscheinen, als er wahrscheinlich tatsächlich war. Die kleinen Augen
saßen hinter einem schmalen Schlitz in ihren Höhlen. Der Gesichtsausdruck hatte
etwas Abwesendes und Hellwaches zugleich. Er wirkte wie ein Löwe, der träge in
der Sonne liegt und ungefährlich, beinahe tollpatschig aussieht, in
Wirklichkeit aber auf seine Beute lauert.
Irgendjemand erkannte ihn. Es wurde ruhig, die hitzige
Debatte war jäh unterbrochen. Alle Augen waren plötzlich nach vorne gerichtet.
Wotruba, der sich schon zuerst kein Blatt vor den Mund
genommen hatte, war der Erste, der etwas sagte. »He, D’Artagnan, was willst du
denn hier?«, rief er. »Kommst du für deine Freunde spionieren?«
Der Angesprochene kippte nur stumm den Weinbrand hinunter und
trank sein Bier.
»Bist du taub, Harry?«, versuchte es Wotruba
erneut.
»Nein«, kam es jetzt von der Theke. »Aber diesen
französischen Scheißnamen könnt ihr euch behalten.«
»Was willst du hier?«, rief fordernd ein anderer.
»Was man eben in einem Kaffeehaus so will, in Ruhe
ein Bier trinken. Ist das so abwegig? Am Platz tut der Kanadier auf wichtig und
macht alle verrückt, da habe ich Kopfweh bekommen.« Wortlos deutete er auf sein
leeres Stamperlglas.
Während Leopold nachschenkte, fiel es ihm siedend
heiß nein. Das war Harry Leitner, ehemals pfeilschnelle Sturmspitze der
Floridsdorfer Eintracht. Den Spitznamen ›D ’ Artagnan‹ hatte er
bekommen, weil er als junger, aufstrebender Spieler mit den drei ›Musketieren‹
Ehrentraut, Moser und Sturm blendend harmoniert hatte und schließlich nach
einigen anfänglichen Scharmützeln auch privat von ihnen als Freund aufgenommen
worden war. Dann war die dumme Sache mit dem Bein gekommen, ein komplizierter Bruch
nach einem schlimmen Foul. Harry hatte dem Fußball ade sagen müssen und war auf
einmal weggewesen. Jetzt, etwa 15 Jahre später, hätte ihn Leopold kaum mehr
erkannt. Die Zeit und wohl auch der Alkohol hatten ein böses Spiel mit ihm
getrieben.
Die Teilnehmer des außerordentlichen Treffens
wussten inzwischen nicht, wie es weitergehen sollte. »Der erzählt doch jedes
Wort brühwarm seinen Freunden«, hörte man, worauf Leitner nur verständnislos
den Kopf schüttelte und vor sich hin brummte: »Ich habe
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