Verschwörungsmelange
über so etwas nicht mehr«, beruhigte er
sie. »Dafür bin ich schon zu lange in dem Geschäft.«
»Na, dann ist’s ja gut. Ich habe es heute Morgen auch der
Polizei so erzählt, obwohl ich mich auf diese Art wahrscheinlich gleich
verdächtig gemacht habe. Das heißt nicht, dass mir die Sache nicht nahe geht,
es ist alles furchtbar genug.«
»Sie sind noch ganz durcheinander, was?«
»Ja natürlich. Ich habe ja alles erst in der Früh erfahren.
Ich war in der Nacht ein wenig … unterwegs. Im Nachhinein ist mir das jetzt
furchtbar peinlich. Es sieht so … pietätlos aus.«
»Aber wenn Sie in der Nacht unterwegs waren, haben Sie doch
immerhin ein Alibi«, lächelte Leopold erleichtert.
»Nicht unbedingt«, wehrte Bettina betroffen ab. »Ich war auf
einer Vernissage, und nachher haben wir in einer Bar ein Gläschen getrunken.
Ich bin allerdings ziemlich spät dort aufgekreuzt, und die Polizei meint, es
wäre sich zeitlich ausgegangen, meinen Mann zwischenzeitlich umzubringen.
Wissen Sie, Leopold, das ist das Allerschlimmste: Die Nüchternheit, mit der
einem so etwas mitgeteilt wird, kaum dass man die Todesnachricht empfangen hat.
Und dann die Blicke der Leute, die mir heute schon auf der Straße begegnet
sind.« Sie trank den Kaffee in kleinen Schlucken, wie eine Medizin.
»Kopf hoch! Es wird schon wieder werden. Braucht alles seine
Zeit«, meinte Leopold.
»Sie haben meinen Mann gefunden. Das muss ja schrecklich
gewesen sein«, sagte Bettina.
Leopold zuckte mit den Achseln. »Angenehm ist so etwas nie.
Das viele Blut, die toten Augen, das Gefühl, man ist jetzt allein mit jemandem,
den es gar nicht mehr gibt. Aber andererseits ist es auch nicht schlimmer, als
wenn ein Gast nicht zahlen möchte und man seine Scherereien mit ihm hat.« Er
sah, wie ihn Bettina Ehrentraut entgeistert anstarrte. Mit dieser drastischen
Darstellung war er offenbar zu weit gegangen. »Ich hab halt schon viele Tote
gesehen, die schauen alle gleich aus«, fügte er entschuldigend hinzu.
»Na ja, irgendwie werde ich über diese Tage schon
hinwegkommen. Ich muss mich eben daran gewöhnen, dass ich überall auf den Tod
meines Mannes angesprochen werde. Wie gesagt, ich bin traurig, ohne zu trauern.
Dazu hat mich Wolfgang in der letzten Zeit viel zu sehr vernachlässigt. Sogar
seine Wohnung hat er mir lange verheimlicht.«
Leopold überlegte kurz. »Denken Sie, dass er … ? Ich meine,
verstehen Sie mich nicht falsch, aber …«, suchte er nach den richtigen Worten.
»Dass er eine Freundin hatte? Möglich. Aber ich glaube es
ehrlich gesagt nicht, Wolfgang war nicht der Typ dafür. Er hat doch jede freie
Minute in den Fußball investiert. Genau weiß ich es jedenfalls nicht, ich weiß
nur, dass er mich verdächtigt hat, einen Liebhaber zu besitzen. Er hat mich
sogar von einem Privatdetektiv beschatten lassen.«
Leopold horchte auf.
»Es ist natürlich alles Unsinn«, winkte Bettina Ehrentraut
gleich ab. »Aber erstens hätte es Wolfgangs Ego nicht vertragen, dass ich ihm
einen anderen Mann vorziehe, und zweitens wollte er mit allen Mitteln eine
Scheidung verhindern. Darum hat er etwas gesucht, das er gegen mich in der Hand
hat.«
»Sie wollten sich scheiden lassen?«
»Ja. Was soll man denn sonst tun, wenn eine Ehe zerrüttet
ist? Wolfgang hat nie eingesehen, dass er der Schuldige ist. Primär ging’s ihm
nämlich ums Geld. Ich denke, er hatte schon einiges an Schulden angesammelt,
und eine Trennung durch sein Verschulden hätte ihm den Rest gegeben. Da hätte
er sich auch mit einem Managergehalt nicht so schnell gefangen. Für mich ist
jedenfalls zuletzt so gut wie gar nichts übrig geblieben.«
Wie unschuldig Bettina Ehrentraut das dahinsprach, so als
hätte sie immer nur die bescheidensten finanziellen Ansprüche an ihren Mann
gestellt. Aber sonst blieb sie bei der Direktheit, die Leopold schon von ihrer
Zeit als Friseurin kannte. Er musste nur herausfinden, wie viel Ehrlichkeit bei
dieser Direktheit dabei war.
Leopold machte seine üblichen Handgriffe und servierte
zwischendurch ein paar Getränke. Dabei fiel ihm der unliebsame Gast von vorhin
ein. »Da gibt’s ja noch diesen … diesen kanadischen Geldscheißer«, argwöhnte
er. »Der war doch recht gut mit Ihrem Mann. Der hätte ihm finanziell unter die
Arme greifen können, ich meine, es wäre für ihn ein Leichtes gewesen …«
»Vielleicht. Aber Sie kennen Brown nicht«, unterbrach Bettina
ihn sofort. »Wenn man den
Weitere Kostenlose Bücher