Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
wem ich will und wie ich es will. Und du sollst deine Nase nicht in alles hineinstecken!«
Abády wurde nun doch von Zorn gepackt. Er drehte dem anderen den Rücken zu und verließ wortlos den Raum. László ging ihm langsam nach. Ihm war erst jetzt bewusst geworden, in welch beleidigendem Ton er mit Bálint gesprochen hatte, seinem einzigen Freund von Kindesbeinen an. Er suchte das Geschehene wiedergutzumachen. Bálint war schon in der Mitte der geländerlosen Treppe angelangt, als László ihm nachrief: »Bestelle bitte Grüße an Tante Róza von mir. Sobald ich etwas Geld zusammenkratze, fahre ich in die Stadt und spreche bei ihr vor. Und du sollst mir verzeihen, ich bin nun einmal schon arg verkommen!« Sprach, wandte sich um und schlug hinter sich die Tür zu.
II.
Viele Wochen vergingen. Wir stehen schon Ende März. Erst da kehrte Abády heim. Die Zeit zuvor hatte er in Budapest an den Sitzungen im Abgeordnetenhaus verbracht, die in der langen Gleichförmigkeit stürmischer Wortgefechte stets mit derselben Ziellosigkeit abliefen, Debatten, die zumeist der neuen Hausordnung galten. Das einzige ernsthafte Werk bedeutete die Vorlage zur Regelung der Landbesitzverhältnisse in Siebenbürgen als der erste Schritt jener Aktion, die man dem Székler Kongress vorgestellt hatte. Ein bescheidener Beginn, aber immerhin etwas. Die übrige Zeit wurde größtenteils entweder durch Obstruktionen ausgefüllt, oder aber es blieb beim Widerhall jener Themen, über welche die in Wien tagenden Delegationen verhandelten. Der ungarische Verteidigungsminister hatte dort im Einverständnis mit dem Kabinett den Vorschlag gemacht, die Entlohnung der Offiziere neu zu regeln. Der offizielle Referent, Okolicsányi, legte den Plan vor. Worauf sich aber einer der Delegierten der Unabhängigkeitspartei erhob und widersprach. Er wünschte, dass in der Frage zuerst einmal die Abgeordneten im ungarischen Parlament einen Beschluss fassten, und dabei würden sie ihrerseits die Zustimmung mit nationalen Bedingungen verknüpfen. Das Delegationskomitee überstimmte den Referenten, will heißen, die eigene Regierung, wenn auch nur in verhüllter Form. Auf der anderen Seite begnügte sich die österreichische Delegation nicht damit, den Verteidigungsminister zu unterstützen, sondern bewilligte mit ihren Stimmen bereits für das laufende Jahr sechseinhalb Millionen Kronen. Die beiden Staaten der Monarchie bezogen damit einander völlig entgegengesetzte Positionen. Während die Österreicher ihren Entscheid zugunsten des Offizierskorps fällten, nahmen die Ungarn das Odium der Zurückweisung auf sich. Und zwar völlig vergeblich. Der Standpunkt, dass die Armeeoffiziere viel schlechter entlohnt sein sollten als die zivile Beamtenschaft, ließ sich offensichtlich nicht aufrechterhalten. Was sich denn auch zeigte; Wekerle sollte einige Monate später auf dem Verordnungsweg das verwirklichen, was ihm seine eigene Mehrheit verweigert hatte. Das einzige Resultat der unguten Angelegenheit war, dass die Offiziere für ihren Bezahlungsrückstand die ungarischen Gesetzgeber verantwortlich machten und dass jene Kreise, die auf österreichischer Seite gegen den 67-er Ausgleich und die ungarische Verfassung Angriffe führten, in ihrem Bestreben ein neues Argument hinzugewannen.
Vielleicht gab es einen Zusammenhang zwischen dem soeben Berichteten und dem Auftreten Kristóffys 56 . Jetzt, am 1. März, gab er sein Programm bekannt. Er veranstaltete eine Großversammlung, an der die Gründung der Radikalen Partei bekanntgegeben wurde. Bereits nach seinem Sturz war er mit dem Thronfolger in Verbindung getreten. Auf seinem Ministerposten hatte er damals dem alten König treu gedient, doch nun wechselte er ins Lager des Belvedere hinüber. In diesem Lager fanden sich alle Feinde der ungarischen Vergangenheit zusammen: der klerikale Lueger, die an der absolutistischen Richtung festhaltenden Militärs, einige Führungsgestalten der Nationalitäten in Ungarn, und jetzt brachte Kristóffy mit seinen radikalen Parolen den äußersten Flügel der Freimaurerei ein. Sehr verschiedenartige Richtungen. Alle hatten ihr eigenes langfristiges Ziel. Nur ihr unmittelbares Ziel war gemeinsam: die Ungarn zurückzudrängen.
Die Radikale Partei bestand eher nur auf dem Papier, es war nicht mehr als ein Schlagwort. Kaum jemand nahm an der Gründungsversammlung teil außer einigen Budapester Professoren, Privatgelehrten für Soziologie und einigen Studenten, die dem – von der
Weitere Kostenlose Bücher