Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
mit den Empfangsbestätigungen hin: »Bitte da unterzeichnen!«
»Schreiben Sie nur meinen Namen, Bischitz«, sprach László, schmiss das Dokument weg und füllte sich ein neues Gläschen. Das Blatt flatterte vor Abády hin; er warf unwillkürlich einen Blick darauf. Er hob es auf und sah es sich an. Es war die amtliche Verfügung einer Pfändung auf Verlangen eines gewissen Leó E. Kardos, wohnhaft in Budapest. »Du«, rief er, »das ist eine sehr ernste Geschichte! Eine Pfändung am 15. April.«
»Dergleichen hat es schon manche gegeben!«, erwiderte Gyerőffy und fuhr, an den Krämer gewandt, fort: »Schicken Sie es Ázbej! Sie wissen ja …«
Bálint schüttelte missbilligend den Kopf. Welch schrecklicher Leichtsinn!
»Vielleicht ist es besser, wenn ich es ihm übergebe«, anerbot sich Bálint, »morgen oder übermorgen fahre ich ohnehin nach Dénestornya.«
»Wozu? Sie schicken es ihm, nicht wahr, Bischitz? Es geschieht nicht zum ersten Mal!«, spottete László. Schließlich machten sie sich auf den Weg zurück ins Schloss. Sie stiegen ziemlich wortlos hinauf. Bálint überlegte, wie er László aus all diesen Übelständen und vom einsamen Trinken befreien könnte, von dieser gefährlichsten Form der Trunksucht. Oben angelangt, nahm er Frau Szent-Györgyis verwandtschaftlichen Brief erst im einstigen Salon hervor, der unter dem Mansardendach lag und László jetzt als einziger Wohnraum diente. Bevor er ihn übergab, berichtete er, wie liebevoll sich im Gespräch in Jablánka alle an ihn erinnert hätten: Tante Élize, Magda, Pfaffulus, jedermann. Er erwähnte, versteht sich, weder Klára noch Wárday.
Man hatte vor dem französischen Cheminée einen kleinen Bauernofen gebaut, in dem Feuer brannte. Sein Rauchabzug führte durch den Schlund des Marmorkamins. László stand stumm neben diesem Ofen. Seine Augen richtete er starr aufs Fenster, auf den grauen Himmel. Während Bálints langer Erzählung sprach er kein Wort. Selbst als Bálint ihm das Schreiben seiner Tante übergab, sagte er nichts. Er schwenkte den Brief einige Male, dann ergriff er ihn jäh an zwei Ecken und zerriss ihn in Fetzen. Die Papierschnitzel stieß er mit seinem von Schneematsch nassen Stiefel ins brennende Feuer. Das kam dermaßen überraschend, dass Abády aufsprang. Doch László redete bereits: »Ich bin mit jener Welt dort fertig. Nichts, verstehst du, nichts will ich von denen hören. Für mich gibt es sie nicht mehr. Nichts, nichts! Sie sind gestorben, oder sie haben überhaupt nie gelebt … nie, nie …«
»Warum stößt du alle zurück, die dich lieben und dir helfen möchten?«, fiel ihm Bálint ins Wort.
»Mir soll keiner helfen! Sie sollen mich in Frieden lassen! Und die dort ganz besonders … die in Ungarn!«, rief Gyerőffy und schritt im unaufgeräumten Zimmer erregt auf und ab. Auf jedem Möbel lag ein Kleidungs- oder Wäschestück, und das Kanapee war von hingeworfenen Büchern bedeckt.
Sein Vetter, von Mitgefühl übermannt, lenkte ein: »Nun, schon gut, es will dich ja niemand zwingen«, sagte er, und um ihn zu besänftigen, gab er dem Gespräch mit langen Sätzen eine andere Richtung.
Sie beide gingen auf und ab und mehrmals auch an der Ecke vorbei, wo eine mit feinem Glas gedeckte Vitrine stand. Ihre mit Samt bezogenen, staubigen Fächer waren beinahe leer; einzig ein schartiger Vieux-Saxe-Kaffeekrug und eine gesprungene Zuckerdose befanden sich noch darin, die niemand mehr kaufen würde; die runden und staubfreien Abdrücke im Samt verrieten dagegen, dass es da mancherlei gegeben haben mochte, und zwar noch vor nicht allzu langer Zeit. Von hier also, dachte Bálint, stammte die Tasse mit dem Bild des Gouverneurs. Und nun begriff er, was der Krämer so hastig versteckt hatte, als er den Laden betrat. Mit seinem oft unüberlegten Helferwillen, der in seinem Wesen lag, blieb er beim Schrank stehen, zeigte auf die Fächer und brachte das Thema zur Sprache: »Gelt, von da hast du Porzellan verkauft?«
László antwortete nicht.
»Schau, wenn du dich von solchen Gegenständen der Familie schon trennst, so ist es doch eine Dummheit, sie über den örtlichen Ladenbesitzer für einen Spottpreis zu verkaufen! Meine Mutter oder ich, wir würden sie gern schätzen lassen und sie eher zum Realwert kaufen, statt dass sie verschleudert werden.«
László schrie ihn an: »Aber so lasst mich doch in Frieden! Niemand soll mich bevormunden! Wenn ich zugrunde gehen will, dann gehe ich eben zugrunde. Ich verkaufe alles,
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