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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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wiederzukommen. Ich glaube, ich bekomme von dort auch mehr. Alles prima … von der gleichen Stelle … alles hochprima.« 55
    Doch sie verriet auch diesmal nicht, von wem sie die Tasse gekauft hatte, obwohl Bálint mit seinen Fragen wieder in sie drang.

    Der Weihnachtsabend im Hause Abády, ob man ihn in Klausenburg oder auf dem eigenen Landsitz verbrachte, war nie gemütlich, eher feierlich. Während seiner Schuljahre war Bálint im Internat geblieben, und Gräfin Róza hatte den Festtag allein begangen, darum hatte sich im Verlauf von vielen Jahren diese Sitte herausgebildet. Auf dem Tisch im Esszimmer stand, heute wie stets, ein mittelgroßer Weihnachtsbaum, den man natürlich auf dem Markt gekauft hatte, denn es hätte als Sakrileg gegolten, einen Baum aus dem eigenen Forstbestand in Dénestornya oder im Hochgebirge kommen zu lassen. Auf der Anrichte türmten sich die unzähligen Tücher und Jäckchen, die Frau Abády zusammen mit den beiden Haushälterinnen über das Jahr gestrickt hatte und die am Morgen des Festtags in Dénestornya unter allen Dorfkindern verteilt werden sollten. Der Buchführer des Guts würde mit den hier gestapelten Kleidungsstücken bei Tagesanbruch hinreisen und sie nach dem Kirchenbesuch übergeben. Um das Bäumchen herum, auf dem Kerzen brannten, lag eine Unmenge von Waren für das Hausgesinde. Frau Tóthy und Frau Baczó bekamen Stoff für Kleider, die Dienstleute und ihre Familien nützliche Geschenke, die alle mit Zettelchen gekennzeichnet waren.
    Die Familien der Bediensteten, Mann, Weib und Kinder, wurden einzeln hereingerufen, und alle übernahmen die ihnen zugedachten Gaben. Hatten sie das Geschenk empfangen, dann küssten sie der Gräfin die Hand und verließen den Raum; nach ihnen kamen die Nächsten. Frau Abády saß in einem Lehnstuhl in der Mitte des Zimmers. Dort reichte sie ihre Hand zum Kuss wie eine ergraute, ein wenig dicke kleine Königin, welche die Huldigung ihrer Untertanen entgegennimmt. Bálint bekam zwei Krawatten und eine Zigarettendose – bereits die zehnte, da seiner Mutter für das Schenken die Phantasie fehlte und sie ihm jedes Jahr das Gleiche überreichte.
    Erst nachdem all das über die Bühne gegangen war, kam die Tasse mit dem Bild des Gouverneurs zum Vorschein. Es war eine gute Wahl gewesen! Frau Róza freute sich in der Tat sehr. Als sie sich – wie gewöhnlich – in den Tagesraum zurückzogen, wo Tee und Kompott serviert wurden, nahm sie die Tasse selbst dorthin mit, und sie streichelte und behielt sie in ihren kleinen, rundlichen Händen. Der Sohn erzählte von Jablánka, von Tante Élizes lebhafter Erkundigung nach allen und von den Verwandten drüben. Sie blieben ziemlich lange auf. Bálint spürte, dass sich die Mutter nun in Gedanken mit nichts anderem beschäftigte, einzig damit, was sie zu hören bekam. Die Gewitterwolken hatten sich verzogen. Frau Abády lächelte und blieb während des ganzen Abends liebenswürdig.

    Bálint bedachte all dies, als er sich schließlich zurückzog. Die alte Dame mochte glauben, er habe sich bei den Szent-Györgyis vielleicht in ein neues Abenteuer gestürzt. Als er von der kleinen Lili Illésváry berichtete, lächelte sie gar. Kein Argwohn, kein verheimlichter Zorn klang diesmal in ihrer Stimme mit. Natürlich! Er hatte sich ja mit Adrienne schon seit über zwei Monaten nicht mehr getroffen. Daher die Freundlichkeit, sie meint, es sei zu Ende. Daher ihre Freude, daher … Dabei hatte die lange Trennung für Bálint die Kette, die ihn mit allen seinen Fasern an die Frau band, nur noch spürbarer gemacht. Seitdem ihre Liebe neu aufgeblüht war, hatte es kaum eine Woche ohne Wiedersehen gegeben, allenfalls vergingen zehn, höchstens zwanzig Tage, bis sie sich irgendwo treffen konnten – heimlich und manchmal selbst unter Lebensgefahr. Seit dem Besuch in Almáskő war es ihm aber nicht mehr möglich, in den Wald von Hunyad zurückzukehren. Es wäre auffallend, mitten im Winter in der Hütte zu wohnen, und er müsste abermals im Schloss der Uzdys vorsprechen. Auch Adrienne hatte ihm geschrieben, dass er nicht kommen solle und dürfe. Den wahren Grund, dass ihr Mann ihnen mit dem Gewehr nachgestellt hatte, verriet sie zwar nie, aber es blieb dabei: Sich wiederzusehen war ihnen verwehrt.
    Dies, sagte sich Bálint immer öfter, ist doch kein Leben! Nein, kein Leben. Der Gedanke meldete sich jetzt in später weihnachtlicher Stunde stärker denn je. Wie die Tage und die Wochen vergingen, wurde sein Entschluss

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