Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Lászlós Gesicht ein. Das Kinn fiel hinab, die Augen öffneten sich weit vor Verwunderung, um sich hernach mit Tränen zu füllen. Statt seines steifen Stands sackte er nun zusammen wie ein Hampelmann, dessen Schnur man hatte fahren lassen. Er sank auf den Stuhl nieder und begann zu schluchzen.
Der alte Kendy blieb vor ihm stehen. »Na, na«, sagte er, »das nicht … nein, das nicht …« Mit einer unerwarteten, ein wenig ungeschickten Bewegung fuhr er streichelnd über den Kopf des jungen Mannes. »Das nicht … so etwas braucht es nicht«, wiederholte er brummend.
László weinte lange, während er im Lehnstuhl immer mehr zusammenschrumpfte. Etwas in ihm hatte sich freigesetzt, sich gelöst. Zuletzt weinte er nur noch leise, er trauerte über sich selbst, sein verpfuschtes Leben, über all den seit Jahren in sich getragenen Schmerz und Trotz, all die Begabung, die er leichtsinnig verspielt, die Zeit, die er verpasst, und die Jugend, die er vergeudet hatte. Dies alles sah er jetzt klar. Es dauerte lange. Der alte Kajsza wartete geduldig, bis László endlich über sein tränennasses Gesicht strich und aufblickte. »Verzeihen Sie, Onkel«, sagte er, »ich schäme mich sehr … ich habe nicht die Gewohnheit … wirklich …«
Der alte Herr beschied ihn mit einem kurzen, bäurischen Wort und fuhr dann fort: »Dergleichen kommt vor. Schäme dich nicht deswegen. Vielleicht tut es auch gut.«
»Aber was soll ich unternehmen?«, fragte Gyerőffy.
Der alte Herr stellte einen Stuhl zu ihm hin und setzte sich. Er gab nun ein Programm vor. László solle unverzüglich nach Hause gehen und ein genaues Verzeichnis seiner Schulden erstellen oder erstellen lassen, ferner eine Liste dessen, was er an Wald, Häusern und Äckern besitze. Wenn alles beisammen sei, solle er mit dem Papier bei ihm vorbeikommen. »Dann wollen wir darüber beraten, und wir werden sehen und besprechen, was sich tun lässt. So hoffnungslos kann das alles doch nicht sein, bloß müssen wir die Dinge in Angriff nehmen.«
Darauf einigten sie sich. Kajsza bemerkte noch, als sie einander die Hand reichten: »Im Übrigen versuche, nicht so verflucht viel zu trinken!« László hatte sich schon seit langem nicht so beruhigt und leicht gefühlt wie jetzt, da er den alten Kajsza verließ. Unten, einige Schritte entfernt, gab es ein Kaffeehaus. Er zögerte ein bisschen, bevor er eintrat. Sein alkoholgewohnter Organismus überwand aber seinen Willen. Er kehrte ein und kippte drei Gläschen Branntwein. Er verreiste trotzdem noch gleichen Abends auf seinen Landbesitz.
Auch ein zweites Ereignis verband sich mit dem Basar: die Verlobung der kleinen Margit mit Ádám Alvinczy. Eine höchst überraschende Angelegenheit. Wie denn nicht, wo wir doch wissen, dass Ádám seit vielen Jahren tödlich in Adrienne verliebt war. Und sollte er nun ihre kleine Schwester heiraten? Welch unerwartete Wendung. Unerwartet in der Tat, namentlich für Ádám selber. Er begriff denn auch kaum, wie es hatte geschehen können, dass er mit einem Mal als Bräutigam, als Margitkas Bräutigam dastand. Und bei sich dachte er, das Sonderbare bestehe vorab darin, dass er selber es gar nicht sonderbar fand. Irgendwie war es von selbst so gekommen.
Seit dem Nachmittag, an dem der Basar stattgefunden hatte, stattete er der Villa Uzdy gemäß dem alten Brauch wieder Besuche ab, er erschien dort zur Jause, doch er versuchte, anders als zuvor, nicht mehr, sich neben Adrienne und noch nicht einmal ihr gegenüber zu setzen, sondern hielt gleich Ausschau nach der kleinen Margit, die sich – oh, welch ein Zufall! – immer in der weitest entfernten Ecke des Salons aufhielt. Er gesellte sich alsbald zu ihr, was er vor sich damit rechtfertigte, dass sich Adrienne um ihn ohnehin nicht kümmerte, sondern für seine große Liebe nur Verachtung übrighatte. Und da die übrigen Gäste, Kadacsay, Pityu Kendy, die drei anderen Brüder Alvinczy sowie die Laczók-Mädchen, rasch bemerkt hatten, dass Ádám und Margit, sobald sie beisammensaßen, gleich vertraulich zu flüstern begannen, so dauerte es jeweils nur einige Augenblicke, und alle, die sich zufällig in ihrer Nähe befanden, verzogen sich schleunigst, sodass sie in Zweisamkeit blieben. So stand es ihnen frei, ihr beliebtes Thema lang abzuhandeln: den schreienden Unterschied zwischen Adriennes gnadenlosem Herzen und Margitkas verständnisvoller Seele.
An einem Nachmittag gaben sie sich wieder damit ab, diesen Tatbestand zu zergliedern und all seine
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