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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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planen. Und da sie bewusst darauf verzichten wollte, unmittelbar zu handeln – ach, es fiel so leicht! –, wob sie die Träume von gestern weiter: Wie, auf welche Weise würde es sein, wenn ihr Kind auf die Welt käme, ihr eigen Fleisch und Blut. Wie sähe es aus, was würde es von dir, was von mir erben, dies flüsterte sie ihm ins Ohr, raunte es, im Zwielicht des dunklen Zimmers von vielen Küssen unterbrochen, ihm zu. Eine Märchenwelt erstrahlte glänzend um sie, in deren Mittelpunkt ein unwirklich wirkliches Wesen stand, ein Geschöpf ihrer Einbildungskraft und Sehnsucht: ein Kindchen, dann ein halbwüchsiger Junge und bald auch schon ein Jüngling. Und in der nächsten Minute war es schon wieder ein Säugling, der sich mit allen rosaroten Wundern seines nackten Körperchens herumkugelte. Er hatte bereits einen Namen. Sie hatten ihn Ádám getauft, als stünde er am Anfang der künftigen Menschheit, einer vollkommenen Menschenart, die es noch nie gegeben hatte – etwa nach Euphorions Vorbild im »Faust«.
    Und dieses Thema schmückte sie stets von neuem aus, in vielen Nächten sprachen sie über den Sohn, als ob er schon auf der Welt und am Leben wäre – das letzte Ziel und die Krönung ihrer Liebe.

IV.

    »Graf Bálint kleidet sich schon an, gleich ist er fertig«, sagte Frau Tóthy, als sie in Róza Abádys größeren Salon eintrat, wo Frau Baczó allein, die ewige Stickarbeit in der Hand, auf ihre Rückkehr wartete. Es ging auf halb zwei zu, die Zeit des Mittagessens. Gräfin Róza ordnete am Schreibtisch im kleinen Salon nebenan ihre Briefe. Das zuvor Gesagte war als eine Meldung auch ihr zugedacht. Die zwei Haushälterinnen schwiegen einige Augenblicke, dann begannen sie zu plaudern. Sie sprachen leise, als tuschelten sie, aber laut genug, damit Frau Abády, sollte sie auf ihre Reden achten, sie verstand. Und dass sie achtgeben würde, wussten sie wohl.
    »Der junge Herr hat es allerdings sehr nötig, sich auszuruhen, er ist am Morgen sehr spät heimgekehrt«, sagte Frau Tóthy.
    »Ja, allerdings«, pflichtete ihr Frau Baczó bei, »und man hat ihn selbst da nicht in Ruhe gelassen. Mit einem Brief wurde er behelligt, dabei war es noch nicht einmal acht Uhr.«
    »Ja, richtig, allerdings«, fuhr die Erste fort, »man hatte den Brief von der Monostori-Chaussee gebracht. Die Köchin war gerade vom Markt zurückgekommen, auch sie hat das fremde Stubenmädchen bemerkt.«
    Die zwei dicken Frauenzimmer seufzten an dieser Stelle gewaltig, als breche ihnen das Herz, dann hob Frau Baczó wieder an: »Der arme Graf Bálint ist aus dem Schlaf gerissen worden, ja, allerdings, die Dienstmagd hat dermaßen darauf bestanden, es sei dringend …«
    »Hatte denn unser junger Herr bei Zigeunermusik an einem Vergnügen teilgenommen?«, fragte Frau Tóthy mit beträchtlich falscher Schläue.
    »Kaum!«, lachte die andere. »Bis zum Morgen macht er das schon seit langem nicht mehr. Allerdings wird er jetzt den Weg in andere Richtung genommen haben, nicht dorthin, wo er erwartet wurde, darum dann die Eile, zu ihm vorzudringen …«
    »Das allerdings tut gut, dass er endlich andere Wege geht …«
    Nun lachten die beiden Haushälterinnen leise und schadenfreudig. Sie setzten die Unterhaltung nicht fort, denn Bálint, frisch gewaschen, trat ein. So viel hatte ohnehin schon genügt.
    Róza Abády nahm den Handkuss des Sohns herzlicher entgegen als gewöhnlich. Auch beim Mittagsmahl hörte sie dem Bericht Bálints vom gestrigen Basar gutgelaunt zu, denn das, was sie – wie sie meinte: nur zufällig – gehört hatte, machte ihr große Freude: Bálint war erst am Morgen nach Hause gekommen, und nicht von jener verfluchten Frau, dies stand fest! Vielleicht hatte er mit ihr gebrochen! Anders ließ sich das nicht erklären. Wäre sonst aus der Villa Uzdy jemand zu ihm geschickt worden, wenn er sich erst eine Stunde zuvor noch dort aufgehalten hätte? Sie stellte sich vor, welche Erniedrigung es für Adrienne gewesen war: Sie erwartete Bálint, und er kam nicht. Er ließ geschehen, dass sie auf ihn wartete, und ging zu einer anderen Frau. Gräfin Róza kümmerte sich jetzt nicht darum, wer immer diese andere sein mochte. Die Frauenerfolge des Sohns hatten sie ohnehin stets mit einem gewissen Stolz erfüllt. Dass Bálint überall in der weiten Welt den Frauen gefiel, vermittelte ihr unbewusst das Gefühl, er entschädige sie für ihren frühen Witwenstand, der ihr Leben entzweigerissen hatte. Dies kannte sie schon aus seiner

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