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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Nachtrag liefern. László vergaß es bald, und er entsann sich nur, wenn er in Klausenburg irgendwo dem alten Kajsza wiederbegegnete. Bei solcher Gelegenheit grüßte er ihn ehrerbietig, doch freilich aus der Ferne. Dies war das einzige Ergebnis, das die Intervention des alten Herrn gezeitigt hatte.
    Jetzt, nachdem er das saubere Haus der schönen Frau Sára kennengelernt hatte, war er nicht mehr imstande, in Kozárd zu bleiben. Gelegentlich kehrte er zwar zu einem Besuch noch zurück, doch dies wurde immer seltener und die Dauer immer kürzer. Vielleicht dienten ihm die Abstecher nach Hause nur dazu, vor sich selber zu leugnen, dass er ganz bei seiner Geliebten lebte. Frau Lázár machte ihm auch dies leichter. Sie tat, als wäre er ihr nützlich bei der Führung des Guts. Sie erteilte ihm einige Aufträge – halb als Spiel, halb im Ernst. Sie trug ihm auf, das Pflügen oder das Dreschen der Luzerne zu beaufsichtigen. Dass er von diesen Arbeiten nicht das Geringste verstand, wusste sie wohl, aber sie wollte ihn glauben machen, dass er ihr behilflich sei.
    Wichtiger aber war, dass sie László zur Musik zurückgeführt hatte. Am Abend bat sie ihn jeweils, Klavier zu spielen. Gyerőffy brachte einige abgebrochene eigene Kompositionen herüber und befasste sich nun nach vielen Jahren wieder mit diesen Werken. Vielleicht war er nie so ungestört glücklich gewesen wie in diesen ersten sechs Wochen ihres Verhältnisses.

V.

    Während der Regierungszeit der Koalition wurde ein neuer Begriff geboren: der Korridor. Der Korridor im Abgeordnetenhaus.
    »Der Korridor war heute aufgeregt«, sagte man. »Der Korridor ist gleichgültig, die Meinung des Korridors hat sich noch nicht herausgebildet.« Die Blätter berichteten langfädig über die Stimmung, die Ansichten und die Wünsche des Korridors. Etwas fürchterlich Ungewisses lag darin. Unberechenbares und Launisches. Man sprach darüber, als sei von einem rätselhaften Götzen die Rede.
    Es galt als natürlich, dass dem Korridor eine solche Rolle übertragen wurde. Eine Opposition gab es im Abgeordnetenhaus sozusagen nicht; die zwanzig und einige Vertreter der Nationalitäten sowie die paar Sozialisten zählten nicht, da man sie von vornherein als Feinde betrachtete und ihnen jede Kraft fehlte. Die drei Parteien, welche die Koalition bildeten, präsentierten sich eng verbündet, und alles, was dem Haus vorgelegt wurde, durchlief zuvor viele Retorten – Ministerkonferenz, Ministerrat, führende Zentralkomitees und hernach Behandlung auf den einzelnen Parteiversammlungen bis zu den Parteibeschlüssen, die für jedermann bindend wurden –, sodass die Vorlagen schon in fertiger Form vor das Parlament kamen; es lohnte sich folglich nicht mehr, über diese Fragen auch nur ein Wort zu verlieren. An den Vorschlägen ließ sich hier nichts von Bedeutung mehr ändern, denn betraf ein Antrag Grundsätzliches, dann galt er als Verletzung der Parteieinheit, bezog er sich aber auf die Form, dann sprach man von unnützer Krittelei.
    Es machte denn auch niemand einen Versuch. Auch in den Parteien stand das Leben still. Das Präsidium, der Verwaltungsausschuss oder wie das leitende Gremium auch immer hieß, arbeitete im engen Kreis und zumeist hinter verschlossenen Türen. Der Zwang dazu kam von der Allianz der Parteien. Denn dieser Bund erwies sich als äußerst heikel. Die für Unabhängigkeit eintretenden liberalen 48-er einerseits und die konservativen 67-er der Verfassungspartei anderseits sowie die klerikale Volkspartei vermochten einzig miteinander zu leben, 64 indem sie die strittigen, zu ihrer unverzüglichen Entzweiung führenden Themen sorgsam vermieden. Stoff dieser Art fand sich aber nicht nur im Überfluss, vielmehr war fast jede Frage, sofern aktuell, von solcher Natur. So etwa die Forderung nach einer selbständigen Nationalbank und einem eigenen Zollgebiet.
    Ursprünglich hatte dieses Anliegen nur im Programm der Unabhängigen figuriert. Im Wahlkampf aber war es von der Parteienkoalition zur gemeinsamen Sache gemacht worden, und jetzt, da die drei Parteien, nun schon an der Macht, mit der Erfüllung der Forderungen konfrontiert wurden, stellte sich das Problem für die 67-er folgendermaßen: Was ließ sich verwirklichen in Einklang mit dem eigenen Gewissen, und was konnte unausgeführt bleiben, ohne dass die Koalition deswegen zerfiel.
    Dies war nun eine drückende Sorge, und zwar sowohl für die beiden 67-er-Parteien als auch für die Anführer der 48-er, insbesondere

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