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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Frau, ihr ganz nahe. Er umarmte sie. Anders war es gar nicht denkbar.
    Stehend küssten sie einander lange immer wieder. Ja, vielleicht sehr lange. Die Frau leistete anfänglich keinen Widerstand – erst später, als er sie mit dem Arm gewaltsam wegzuziehen suchte. Kraftlos zwar, aber sie widersetzte sich. »Nein, nein, nicht …«, wiederholte sie mit veränderter Stimme. Ihr Körper, der einer Statue glich, wurde vom Zittern erfasst, das sich mehr und mehr verstärkte. Jetzt, da er daran dachte, spürte er ihre Bewegung noch immer an den Fingern. Und später, als er ihr Gesicht mit Küssen bedeckte, da war es nass; langsame Tränen rollten über ihre Wangen hinab. Warum wohl hat sie geweint und so gezittert, fragte sich László, während er in die Sonnenstreifen blickte, die blendend hell auf dem Fußboden glänzten. Er streifte die Frage nur, ohne nach der Antwort zu forschen. Er pflegte über dergleichen nie zu grübeln.
    Das Rauschen von Wasser tönte aus dem Nachbarraum herüber. Bestimmt ließ man sein Bad einlaufen. Er legte sich zurück in die Kissen. Wie gut. Und wie angenehm dieses Bett, wie sauber und wohlriechend. Schon seit langem, seitdem das Leben ihn von der Kollonich- und der Szent-Györgyi-Verwandtschaft getrennt hatte, war es ihm nie mehr gegeben, in einem so feinen Bett zu schlafen, in solch sauberer Umgebung zu leben. Wollüstig streckte er sich, schloss die Augen und schlief wieder ein.
    Die Tür ging auf, die schöne Frau Sára kam herein. Ihre Figur, fest wie eine Skulptur, wurde von einem langen seidenen Schlafrock nachgezeichnet. Das Haar hatte sie mit einem Netz hochgebunden. Neben ihrem Kopf, der auf solche Weise engere Konturen erhalten hatte, wirkten ihre wohlgeformten Schultern noch breiter. Sie brachte Lászlós Frühstück, viel Köstliches auf einem breiten Tablett: Kaffee, warmes Gebäck, verschiedene Sorten von kaltem Fleisch und einen Gugelhupf. Sie stellte einen Stuhl an Tisches statt hin, und selber setzte sie sich auf das Bett, während sie László beobachtete.
    »Sie sind schon wach?«, wunderte sich László.
    Die Frau lachte, ihre schneeweißen Zähne blinkten. Rußfarbener Flaum zeichnete sich über ihren roten Lippen ab. Ihre Wimpern waren dicht, wie von Kohlestift gezeichnet, die langen Brauen gemahnten an altägyptische Vorbilder. Ihre gleichmäßig braune Haut, rötlich einzig an den Wangen, glänzte wie glitzernd gelblicher Meerschaum, sie glitt hinab, verschwand in der Öffnung ihres Morgenmantels und kam unter den Ärmeln wieder zum Vorschein. Gyerőffy entdeckte erst jetzt, was für eine wunderbare Frau sie war.
    »Oh, ich bin schon lange wach«, sagte sie. »Bei Morgendämmerung pflege ich auf dem Gut einen Rundgang zu machen. Erst wenn ich nach Hause komme, nehme ich ein Bad und mache mich sauber, denn ich stehe früher auf als meine Bediensteten. Nun, wie haben Sie geschlafen? Gut?«
    Sie lächelte schelmisch und fragte dann: »Soll ich Kaffee einschenken?«
    So fröhlich plauderte sie weiter. Nichts war von der beinahe tragischen Furcht mehr geblieben, die sie am Abend zuvor in Lászlós Armen gepackt hatte. Da hatte sie geglaubt, dass etwas Verhängnisvolles sie mitreiße. Dabei war sie eine liebeskundige Frau. Seit dem Tod ihres ältlichen Gatten hatte sie schon mit zwei Männern zu tun gehabt: zuerst mit einem entfernten Verwandten und dann mit Oberleutnant Wickwitz. Aber das war anders. Beide hatten ihr lange den Hof gemacht, und sie nahm sie erst nach längerer Zeit, wohlüberlegt und fast nur unter gesundheitlichem Gesichtspunkt an. Das hier aber war ungleich – ein wahrer Sturm. Ein jäh losbrechender Orkan, eine elementare, unterjochende Kraft. Nie hatte sie Ähnliches verspürt. In ihrem ganzen Wesen fühlte sie sich erschüttert. Ihr Selbsterhaltungstrieb schien den Zerstörungswillen des Schicksals zu fürchten. Und sie suchte sich vergeblich zu wehren. In diesem Augenblick kam sie sich beinahe wie ein junges Mädchen vor, so suchte sie zu widerstehen: aufgescheucht, voller wilder Sehnsucht und wilder Furcht.
    Sie hatte seit heute früh, da sie das Melken und das Füttern überwachte und den Knechten die Arbeit zuteilte, fortwährend über den letzten Abend nachgedacht. Wie nur hatte das geschehen können? Sie war eine kluge, besonnene Frau, die gern nach klarem Durchblick strebte – ob es um andere oder um sie selber ging. Sie hatte, als sie Gyerőffy aus der Schenke in der Stadt so unerwartet mit sich nahm, einzig aus Mitleid gehandelt; sie

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