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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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einfachsten. Bis zur Ankunft zu Hause würde Gyerőffy seinen Rausch ausschlafen und wieder als normaler Mann aus der Kutsche steigen. Nach einer Nacht im Gastzimmer würde er am Morgen mit dem Zug nach Hause fahren können.
    Es traf sich auch gut, dass sie ihren Sohn, den Gymnasiasten, für ein Jahr nach Hermannstadt geschickt hatte; er sollte Deutsch lernen. Merkwürdig wäre es, ihm jetzt zu erklären, wie sie auf dem Markt einen unbekannten Grafen aufgelesen hat. Im Übrigen ließe es sich ja wohl erklären, was war schon dabei? Zwei Jahre zuvor, als Wickwitz bei ihr ein und aus ging, da stand es anders! Er war ihr Liebhaber gewesen! Auch ihr Sohn freilich stand mit ihm auf freundschaftlichem Fuß, er bewunderte sogar den herausragenden Sportsmann. Dass er nicht bloß ein Besucher war, davon ahnte er nichts. Darauf gab sie acht. Jetzt aber war von so etwas keine Rede. Das, was sie tat, sagte sie sich, tat sie aus purem Erbarmen. Und doch trifft es sich besser, dachte sie, dass der halbwüchsige Sohn nicht zu Hause ist. Besser. Am Ende doch besser …

    László erwachte. Es war Donnerstagmorgen. Die schon hoch stehende Sonne warf ihre goldenen Streifen durch die Ritzen der Jalousien hinter dem Fenster. Angesichts dieser leuchtenden Balken wirkte das Zimmer besonders dunkel. Viele winzige, herbstliche Fliegen summten im Raum. Dieses leise Summen nahm László zuerst wahr. Er setzte sich im Bett auf und blickte um sich. Das Zimmer war ihm unbekannt. Er verstand nicht, wo er sich befand. Seine Erinnerungen ordneten sich erst allmählich. Er entsann sich nur ungewiss, wie er hierhergekommen war. Er hatte – sehr betrunken – in Szamosujvár in der Schenke musiziert. Was er gespielt hatte, das wusste er nicht mehr. Irgendetwas, etwas Merkwürdiges. Es hatte um ihn herum viele Köpfe gegeben, die mit weit aufgerissenen Mäulern grinsten. Dann war plötzlich eine gut gewachsene, braune Frau zwischen ihn und die vielen Köpfe getreten. Sehr große, rußfarbene Augen hatten ihn angeblickt, und jemand – vielleicht diese Frau – hatte etwas gesagt. Und was war dann geschehen? Nichts, gar nichts, bloß ein Rütteln, und er erwachte vor einem unbekannten Haus. So am Abend war es nicht genau zu sehen, auch musste er immer noch benebelt gewesen sein. Und wie wenn sich das vor sehr langer Zeit abgespielt hätte.
    Er hatte den ganzen Tag durchgeschlafen. Als er hier zum ersten Mal erwacht war, begann es bereits wieder abendlich zu dämmern. Er bemerkte, dass jemand in seiner Nähe herumnestelte. Eine kleine, fremde Zofe hantierte im fremden Zimmer.
    »Das Bad, bitte sehr«, sagte sie, »ist bereit. Wenn Sie wünschen, lasse ich das warme Wasser gleich einlaufen …« Es war ein wollüstiges Gefühl, lange im beinahe heißen Wasser zu liegen. Alles um ihn war sauber und wohlriechend, die Seife, die Handtücher, die Wurzelbürste und die Schwämme. Eine Petroleumlampe brannte bereits in seinem Zimmer, als er dorthin zurückkehrte. Ein sauberes Herrenhemd lag auf seinem Bett, seinen gebügelten Anzug hatte man auf einen Stuhl gelegt, und seine blankgeputzten Schuhe standen daneben. Die Empfindung der eigenen Sauberkeit tat ihm wohl. Dies war der erste Eindruck, an den er sich jetzt erinnerte. Wie war es hernach? Alles kam so überraschend.
    Man bat ihn zum Abendessen. Er schämte sich sehr, aber die Hausfrau half ihm über die ersten Augenblicke der Peinlichkeit leicht hinweg. »Ich weiß nicht, ob das Rasiermesser scharf genug war«, sagte sie lachend. »Es hat meinem seligen Mann gehört und wurde schon lange nicht mehr gebraucht. Ich habe versucht, es zu wetzen … Ihr Hemd gehört meinem großen, halbwüchsigen Sohn … Er ist zurzeit nicht zu Hause …«
    Die Frau hatte etwas entzückend Einfaches an sich, eine natürliche, gleichsam selbstverständliche Güte. Und sie war schön und duftete angenehm. Es ging von ihr der starke Wohlgeruch gesunder Lebewesen aus. Sie aßen zu zweit. Später spielte er Klavier. Auch das ergab sich so natürlich, als wäre es anders nicht möglich gewesen. Und auch das, was nachher geschah … Wie war es?
    Er spielte lange. Die einzige Lampe, aufgestellt weit entfernt auf dem Tisch gegenüber, begann zu rauchen. Sie bemerkten es gleich und sprangen auf. Die Frau eilte hin, und er tat ein Gleiches – aus Diensteifrigkeit oder vielleicht nur instinktiv. Sie drehten die Flamme hinunter. Im Zimmer wurde es noch dunkler als zuvor. Beinahe völlige Dunkelheit herrschte. Und er stand neben der

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