Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
steif wie Holz. Auch die anderen stiegen ab. Man brauchte die Pferde nicht am Zügel zu halten. Selbst »Honeydew« war nun zahm. »Eine wunderschöne Jagd … wunderschön!« Alle wiederholten die gleichen Worte, und sie rechneten nach, welche Distanz sie ohne Halt von der Weide von Zsuk bis zum Grenzgebiet von Doboka in schnellem Ritt zurückgelegt haben mochten. Wohl zwölf bis vierzehn Kilometer auf- und abwärts, über Stock und Stein. Eine gewaltige Leistung der Pferde und der Meute! Und die Rede war auch später, als die anderen ankamen, nur hiervon. Als Erster langte Áron Kozma an, dann Bogácsy auf seinem braven, hellbraunen Falben, weit hinter ihm Farkas Alvinczy, ziemlich kotbespritzt, da sein Pferd am Bach gestürzt war, und schließlich folgten als Letzte, aber triumphal die beiden Laczók-Kinder, vom Stallmeister begleitet.
»Na, Jungen«, lachte ihnen Gazsi schon von weitem entgegen, »welch ein Schweineglück füch euch, gleich zum echsten Mal solchen Spocht vochgesetzt zu bekommen!«
Bálint sagte sich unterdessen, dass er der Mutter in einem Brief berichten wolle, welch gewaltige Prüfung seine Stute aus Dénestornya bestanden habe. Keinen Augenblick hatte sie eine Schwäche gezeigt, zuletzt beim kill waren sie nur noch zu viert geblieben; zwei dieser Begleiter saßen auf englischen Vollblutpferden, alle übrigen hatten sie weit hinter sich gelassen. Das Pferd war unverletzt, er hatte seine Sehnen gleich abgetastet, auch seinen Rücken geprüft und keine Wundreibung entdeckt, nichts fehlte ihm, es war nicht einmal besonders in Schweiß geraten. Die Mutter würde sich hierüber bestimmt sehr freuen, sie liebte ja alle im eigenen Gestüt gezüchteten Pferde beinahe wie die Mitglieder ihrer Familie.
Man musste für die Meute Wasser suchen. Dann machten sich alle querfeldein auf den Heimweg. Natürlich ging es im Schritt, denn die Pferde hätten zwar traben können, aber die Hunde waren sehr ermüdet. Der Himmel färbte sich bereits grau. Einzig im Westen leuchtete der Sonnenuntergang noch rot. Vom Grat erblickte man das Bild der vielen Bergkämme, die, nun in violettem Schatten, sich endlos hintereinander reihten, wie ein erfrorenes Meer im Riesenland.
Der Master, die Laczók-Jungen, Farkas Alvinczy und Bogácsy ritten voran. Tisza war stehen geblieben, um sich eine Zigarre anzuzünden. Abády und Gazsi warteten auf ihn, und so blieben sie zurück. Wortlos, zu dritt in einer Reihe, trabten sie dann lange mit lockeren Zügeln.
»Ich möchte etwas fchagen«, wandte sich Kadacsay an Tisza, und auf dessen Zuspruch hin fuhr er fort. Man habe ihn, so berichtete er, als Reserveoffizier der Kavallerie vertraulich aufgefordert, dem Regiment stets mitzuteilen, wo er sich befinde. Nicht mehr. Ihn aber habe dies nachdenklich gestimmt. Er sehe dahinter keinen anderen Sinn, als dass es wegen der Annexion Bosniens zur Mobilisierung und womöglich zum Krieg kommen könnte. »Zum Krieg? Wäre das vorstellbar? Und wenn es so wäre, hatte man sich in diesem Fall die ganze Annexionsgeschichte gut überlegt?«
Tisza war kein mitteilsamer Mann. Vor anderen Leuten hätte er sich über diese schwerwiegende Frage kaum geäußert. Über Abády und seine ernsthafte Tätigkeit hegte er aber eine gute Meinung. Die Tatsache, dass er nicht zur Koalitionspartei gehörte, fiel ebenso ins Gewicht.
Kadacsay wiederum stand bei ihm seit langem in Gunst, da man ihm einen merkwürdigen Spruch Gazsis hinterbracht hatte. Noch zur Zeit der 1905 abgehaltenen Parlamentswahlen hatte man im Klausenburger Casino eine politische Debatte geführt und dabei den damals als Ministerpräsident amtierenden Tisza beschimpft. Gazsi mischte sich ein und nahm Tisza in Schutz. Da herrschte einer Gazsi an: »Wenn du solche Dinge sagst, dann bist du ein Verräter, dann verkaufst auch du das Vaterland!«
Worauf Kadacsay seine große, spechtförmige Nase zur Seite kippte und mit seiner kuriosen, scharrenden Aussprache erwiderte: »Abech gewiss! Ständig suche ich das Land zu vechkaufen, bloß will es keine Menschenseele haben, solange sich euchesgleichen dachin aufhalten!«
Worauf ein gewaltiges Gelächter ausbrach, denn der Humor war in Siebenbürgen doch stets stärker als alles sonst Vorstellbare. Zu einem solchen Spruch hatte es in der damaligen überhitzten Atmosphäre allerdings einigen Mut gebraucht. Tisza zollte dem gewiss Anerkennung, indem er antwortete.
Seiner Überzeugung nach, so führte er aus, würde die gegenwärtige Krise ohne jede
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