Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
einen riesigen Teil der Schulden getilgt, wie das aus meinen häufigen Berichten an Sie hervorgeht, die Quittungen wurden Ihnen von mir vorgelegt. Sie, Herr Graf, haben alles in Ordnung befunden. Jetzt habe ich kein Geld mehr, nicht einen Kreuzer …«
László musterte den kleinen, dicken Mann finster. Eine tiefe Falte zeichnete sich zwischen seinen zusammengewachsenen Brauen ab.
»Ich aber brauche die Summe unbedingt. Unbedingt! Verstanden?«, sagte er streng.
Der kleine Anwalt antwortete nicht. Nur seine winzigen, behaarten Hände zeigten an, dass er nichts tun könne. Für einige Minuten trat Stille ein. Beide schwiegen hartnäckig. Gyerőffy beugte sich schließlich vor und sprach das entscheidende Wort aus: »Übernehmen Sie das Gut. Mit allem, was dabei ist. Ich gebe es her. Aber das Geld muss ich haben! Verstanden? Ich muss!« Und da er sah, dass Ázbej den Überraschten mimte, schrie er ihn an: »Verstellen Sie sich nicht! Seit Jahren verfolgen Sie dieses Ziel. Warum verstellen Sie sich!?«
Der Scharfblick bei László war neu. Am Nachmittag zuvor hatte er eine große Selbsterforschung vorgenommen. Er prüfte der Reihe nach, was er getan und was er versäumt hatte. Hart urteilte er über sich selbst und über andere, und in dieser Rückschau auf die Kette von Ereignissen – wie beim Blick in einen Brunnen oder eine Landstraße entlang – gewahrte er die Planmäßigkeit, mit der Ázbej ihn umgarnt hatte.
»Bitte, ich wollte nur zu Diensten sein … an etwas anderes habe ich nie gedacht«, verteidigte sich der beleibte Mann, doch László herrschte ihn an: »Treiben Sie mir hier keine Possen! Antworten Sie auf das, was ich gesagt habe!«
Ázbej war viel zu gescheit, um beleidigt zu sein. Der Augenblick war gekommen, da er das schöne, kleine Schloss und das feine Gut in den Griff bekommen konnte. Es galt, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, bevor Gyerőffy es sich anders überlegen und sich an einen anderen wenden würde, an einen Verwandten, womöglich an Bálint Abády, den einzigen Mann, den Ázbej etwas fürchtete. Folglich spielte er den Beleidigten nur maßvoll, bloß mit einigen Worten und Gesten, um dann zu erklären: »Bitte, ich werde nachrechnen … bitte, ich bin bereit …« Und unter Bücklingen entfernte er sich, während er versprach, am frühen Nachmittag wieder da zu sein und Bescheid zu geben.
Er kam mit einem gewaltigen Bündel von Schriften zurück, die eine Unmenge von Daten und Zahlen enthielten. Langwierig führte er den Beweis, dass Szamoskozárd mit alten Schulden bereits jetzt überlastet sei, wozu noch das komme, was er, Ázbej, von Zeit zu Zeit bezahlt habe. Selbst wenn man alles zum höchsten Preis bewerte – dabei sei das Dach des Schlosses schadhaft, im Keller stehe das Grundwasser, und ein Stall könnte demnächst einstürzen –, selbst dann also bleibe auf seiner Seite eine Forderung bestehen, die sich auf mehrere tausend Kronen belaufe und für die es keinerlei Deckung gebe, sodass er niemals zu einem Gewinn käme. Er sprach sehr lange, legte Wechsel, Bilanzen und Quittungen und allerlei Dokumente vor, die klar bewiesen, dass nichts mehr vorhanden war und sogar weniger als nichts.
László ging unterdessen auf und ab. Manchmal schenkte er sich ein Gläschen Branntwein ein, manchmal schaute er sich eine Unterschrift an, die Ázbej ihm vorzeigte. Zornig durchmaß er das Zimmer, er verabscheute das Theater, das der kleine Schlaukopf ihm vorspielte und vorab für sich selber veranstaltete, um nicht aus seiner bisherigen Rolle zu fallen. Dennoch hielt er geduldig durch, er ließ den anderen zu Ende sprechen. Als dann Ázbej nach den vielen Worten und Beteuerungen verstummte, blieb László vor ihm stehen.
»Nun?«, fragte er einsilbig.
»Bitte, ich erlege die 10.500 Kronen, obwohl ich an Verlusten schon so mehr als genug habe, aber ich erlege sie«, antwortete der kleine Anwalt, der nun nicht mehr den Mut hatte, die Sache noch mehr in die Länge zu ziehen. Und er schlug gleich einen geschäftsmäßigen Ton an. Er werde den Vertrag ausstellen lassen, und wenn er fertig sei, wolle er den Notar benachrichtigen.
»Würden Sie sich hinbemühen, Herr Graf, oder soll ich ihn herbestellen?«
»Er soll hierherkommen«, antwortete László, dachte nach und meldete sich wieder zu Wort: »Noch etwas. Das alte Gesindehaus neben dem Krämerladen, unten am Rand der Landstraße, das lassen Sie im Vertrag weg. Ich habe vor, es Márton Balog, meinem alten Verwalter, zu
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