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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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übergeben. Er war noch bei meinem Vater im Dienst. Ich will nicht, dass er auf der Straße steht.«
    »Bitte, wie Sie wünschen«, verbeugte sich Ázbej, und mit dem Rücken zur Tür verzog er sich rasch – aus Angst, Gyerőffy könnten womöglich noch weitere Vorbehalte einfallen.

    Die Kutsche brauste vor der Haltestelle von Apahida über die Gleise, fuhr rechts die Hügel hinauf und hielt vor Frau Lázárs Gutshof. Das Graupeln war inzwischen in Schnee übergegangen. Sie entstiegen dem Wagen in einem Schneesturm, der sie auf der Treppe des Vorbaus beinahe umstieß. Es war der gleiche Sturm, der dazu geführt hatte, dass Abády am Abend den Schnellzug verpasste.
    Sie behielten die Mäntel an und flüchteten in den nächsten Raum, ins Esszimmer. Erst hier – Gyerőffy gleich bei der Tür, die Frau auf der anderen Seite des Tisches – warfen sie die Überzieher ab. Sie zündete gleich die Deckenlampe an, denn fünf Uhr war zwar kaum vorbei, doch Dunkel herrschte, und der Schnee hatte die Fenster zugeweht. Danach warf sie einen Blick hinüber zu László.
    Er stand beim Tisch. Die Lampe beleuchtete scharf sein von Stoppeln bedecktes Kinn, eine dunkle Furche, die mitten durch seine zusammengewachsenen Brauen ging, sein in die Stirn hängendes, strähniges Haar. Mit seinem schmutzigen Kragen und dem zerknitterten Rock sah er schlimm verkommen aus, vielleicht noch schlimmer als vor sieben Monaten, da Frau Lázár ihn in Szamosújvár aus der Schenke herausgeholt und gerettet hatte.
    Damals war er betrunken gewesen; jetzt stand er nüchtern, fürchterlich nüchtern, starr wie eine steinerne Statue da. Frau Sára kam es vor, als spüre sie am Herzen den Griff einer eisigen Hand. Grausame Entschlossenheit glaubte sie in der Miene des Mannes zu erkennen. Hass starrte ihr aus seinen Augen entgegen.
    Es war in der Tat Hass, den László in sich während Tagen ausgebrütet und gesteigert hatte. Diese Frau war die Ursache seines sittlichen Verderbens. Sie hatte ihn aufgenommen und schlau bei sich behalten, sein Gewissen mit dem betäubenden Gift ihres schönen, braunen Leibs eingeschläfert, seine Selbsterkenntnis mit den verliebten Küssen ihres kundigen Munds abgestumpft, ihm den Liebestrank gereicht, ihn hier zur Schande in einem Schweinestall gehalten wie Circe die verzauberten Schiffer. Alles hatte sie getan, um vor ihm zu verschleiern, wie schimpflich er lebte, dass er ausgehalten wurde, den Drohnen gleich, die von den Arbeiterbienen ernährt werden. Sie hätte das nicht tun dürfen! Seine Schwäche, die Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse, seine Unbehaustheit so zu missbrauchen! Ihn hier mit allem zu überhäufen, was gut und teuer ist, nur damit er nichts mehr klar sah. Nein! Das hätte sie nicht tun dürfen!
    Einige Minuten standen sie unbeweglich auf den zwei Seiten des Tisches – die Frau erschrocken, der Mann in finsterer, gemeiner Laune. Frau Lázár wollte sprechen, wollte etwas fragen, doch ihre Stimme versagte, einzig ihre Lippen bewegten sich lautlos.
    Gyerőffy langte in die innere Tasche seiner Jacke. Er entnahm ihr zwei dicke Umschläge. Einen warf er hinüber zur Frau. »Da! Der Erlös der Mastschweine, 16.000 Kronen. Ich weiß schon, dir war es bange, ich würde dir das Geld stehlen. Aber so ist es nicht! Da hast du’s. Alles ohne Fehl. Zähle nach!«
    »Aber László! … Was fällt dir ein?«, stammelte die arme Frau. Ihr schien, sie durchlebe einen bösen Traum.
    »Ich verlange, dass du nachzählst! Es darf nicht vorkommen, dass du je sagst, ich hätte dein Geld mitlaufen lassen. Zähl nach!«
    Die Frau wagte nicht, ihm zu widersprechen. Sie tat in aller Eile, als zähle sie die Banknoten, und legte sie dann zurück in den Umschlag. Gyerőffy sprach nun wieder. Seine Worte klangen noch barscher, und auch ein grausamer, hämischer Klang war ihnen eigen.
    »Und wir rechnen anderweitig ebenso ab. Da! Zähle auch nach!« Und nun warf er ihr den zweiten Umschlag zu. Er öffnete sich im Flug, und als er vor Frau Lázár hinfiel, entglitten ihm einige Tausendernoten. Sie fragte verwundert: »Was soll das? Wofür? … Ich verstehe nicht!«
    »Es sind 10.500 Kronen. Ich bin seit Ende September hier. Das macht 210 Tage. Ich habe fünfzig Kronen pro Tag berechnet. Fünfzig Kronen – Kost und Logis! – das ist reichlich kalkuliert. Aber ich will für alles bezahlen, was du mir gegeben hast. Für alles!«
    Einige Augenblicke verstrichen, ohne dass Frau Lázár geantwortet hätte. Dann richtete sie

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