Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
nicht angekommen war, ließ sie nach dem Mahl anspannen und fuhr in die Stadt. Sie hatte früher schon so viel in Erfahrung gebracht, dass László, wenn er in Klausenburg blieb, im Hotel Central abzusteigen pflegte. Sie befahl dem Kutscher, dort vorzufahren.
Der Portier bestätigte, dass er tatsächlich hier war und sich in seinem Zimmer befand. Frau Lázár ging hinauf. Jäh öffnete sie die Tür, getrieben von der eifersüchtigen Annahme, dass sie irgendeine Frau bei ihm finden werde. Gyerőffy war allein. Er ging im Zimmer auf und ab. Schon seit mehreren Stunden. Er war unrasiert, und mit seinem viertägigen, zerknitterten Kragen sah er schlimm heruntergekommen aus. Eine leere Cognacflasche stand auf dem Tisch. Als die Tür aufging und die schöne Sára eintrat, schrie er sie an: »Und du, was suchst du da?« Seine Stimme klang böse und feindselig. Ebenso sein Gesicht, hart und verstockt wie noch nie. Er wiederholte: »Was suchst du da?«
»Ich?«, erwiderte Frau Lázár leichthin und versuchte zu heucheln: »Ich bin wegen Kommissionen in die Stadt gefahren, und wenn ich schon da bin, da dachte ich, ich will bei dir vorbeikommen und dich fragen, ob du nicht etwa zusammen mit mir heimkehren möchtest, denn ich …«
László fiel ihr ins Wort: »Erzähle keine Lügen! Warum lügst du? Ich weiß sehr gut, dass du mir nachspionierst. Dass du meinetwegen gekommen bist! Du hast Angst um dein Geld, was? Keine Bange, es ist da! Und noch mehr … Noch mehr. Willst du es haben? Willst du, dass wir abrechnen? Gut, das will ich auch!«
Tränen füllten die schönen Augen der Frau. Sie antwortete nicht gleich, sondern drehte den Kopf zur Seite. Während einiger Minuten musste sie gegen ihren Weinkrampf kämpfen. Schließlich beruhigte sie sich und vermochte in flehendem Ton zu sagen: »Bitte, László, nicht hier, nicht so … nicht in diesem Hotel …«
Wortlos bestiegen sie die Kutsche zur Heimfahrt. Ein heftiger Windstoß fegte ihnen außerhalb der Stadt entgegen. Der Wind kam von Nordwesten und brachte Graupelregen. Sie zogen das Dach hoch, entrollten das Kot-Schutzleder und hängten es vor sich ein. So waren sie im Inneren des Wagens gut aufgehoben.
Frau Sára entsann sich einer anderen, ähnlichen Kutschenfahrt am Hubertustag. Auch damals waren sie so heimwärts gerollt, hatten sich aber im Sitzen umarmt, sich am anderen festgehalten, anders als jetzt, da Fremdheit und Feindseligkeit zwischen ihnen lagen. Und trotzdem – an jenem Tag hatte ihr Leidensweg begonnen, damals war bei László die Veränderung eingetreten. Es war unerträglich, so nebeneinander zu sitzen. Sie hielt es nicht lange aus.
Sie waren kaum bei der Hälfte des Wegs angelangt, als sie zu reden begann. Schwer fiel ihr dieses Reden, denn ihre Stimme drohte vor Weinen zu versagen. »Warum behandelst du mich so schlecht, wo ich doch nichts verbrochen habe?« Sie sagte es traurig, ohne Zorn und nicht einmal beleidigt. Einzig ihre Trauer meldete sich zu Wort, ihre mütterliche Liebe. Gyerőffy jedoch antwortete verschlossen: »Ich will es dir später sagen. Sprich jetzt nicht. Lass uns erst einmal ankommen …« Und wieder blickte er vor sich hin und spann all das weiter, was er während der drei letzten Tage für sich hundert- und wieder hundertmal wiederholt hatte.
Dies war am ersten Tag geschehen: Nach der Rückkehr von Hídelve, wo er von besagtem Metzger den Erlös der Mastschweine übernommen hatte, kam ihm in der Híd-Straße der alte Sándor Kendy, der Kajsza, entgegen. Hatte Gyerőffy in den letzten Monaten einen Bekannten bemerkt, so wich er ihm in der Regel schon von weitem aus. Er bog in eine Nebengasse ein oder betrat einen Laden, nur um niemanden zu treffen. Er handelte instinktiv und forschte nicht nach den Ursachen. Die Angst saß ihm im Nacken, dass es ihm ähnlich ergehen könnte wie am Hubertustag, als ihn Onkel Ambrus auf so verletzende Weise verhöhnt und ihm ins Gesicht geschleudert hatte: »… vorzüglich, Kost und Logis … Kost und Logis!«
Nie zitierte er diese Worte für sich selber. Tauchten sie in seiner Erinnerung auf, verscheuchte er sie rasch. Er zwang sich, an etwas anderes zu denken. Und doch begleitete ihn der Spruch ständig, er hörte nicht auf, ihn zu quälen. Auch die Tatsache, dass er den Menschen linkisch aus dem Weg ging, führte er nicht auf dieses Erlebnis zurück, sondern erklärte sie mit der Absage an seine Welt von einst. Sich selber redete er dies ein, obwohl er innerlich wohl wusste, dass er
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