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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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nicht? In Wirklichkeit war es doch nur aus Stolz und Hochmut geschehen, dass sie dieses Doppelleben zurückgewiesen hatte; aus dämlicher Eigenliebe, für die sie mit zahllosen Leiden bezahlte, und die waren vergeblich … vergeblich. Der stets wiederkehrende Gedankengang, den sie hundertmal vertrieben hatte und der ewig und immer gebieterischer zurückkehrte, widersprach ihrem ganzen bisherigen Wesen. Denn da sprach niemand, nur sie, keiner stritt mit ihr, sie allein kämpfte mit ihren Erinnerungen und Sehnsüchten. Ihr Leib und ihre Seele schrien danach.

    Dunkelheit herrschte beinahe schon, als sie sich trennten. Doch das Scheiden schien ihnen kein Abschied, sondern der Anfang einer glücklichen Zukunft zu sein. Bálint blieb vor dem Baumstamm stehen, bis die Frau von drüben, vom Rand des Hochwalds, herüberwinkte und dann auf dem Weg weiterschritt und im Gehölz verschwand. Nun brach auch er auf, zurück zu seinem Lager.
    Unterwegs durchdachte er, was sie besprochen hatten. Für sich wiederholte er den vereinbarten Schlüssel: Jede vierstellige Zahl, die in einem ihrer Briefe vorkommt, bedeutet das Datum und die Stunde ihres Treffens.
    Er beschloss, auf der Wiese, wo jetzt sein Zelt stand, unverzüglich eine kleine Jägerhütte errichten zu lassen. Er wird anordnen, von hier bis dorthin einen Pirschpfad herauszuhauen – so kann Adrienne zu ihm kommen. Als er am Abend die Anordnung traf, bestellte er auch zwei bis drei weitere Pfade sowie Gestelle mit Salz für die Rehe, um das Ziel der Maßnahme zu verbergen. Und seit vielen Monaten schlief er zum ersten Mal wieder glücklich ein.

V.

    Ende Mai weilte Bálint wieder in Budapest. Er besuchte die Sitzungen im Parlament einzig aus Pflichtgefühl, da über ihn, den Parteilosen, niemand verfügte. Im Vordergrund aber stand für ihn nun der Plan zur Erweiterung der Genossenschaften, den er in seiner Rede geschildert hatte; er versuchte ihn zu befördern. Beim Präsidenten der Genossenschaftszentrale, einem Siebenbürger und guten Freund des Ministers Darányi, fand er großes Verständnis. Bei den übrigen Mitgliedern des Kabinetts kam er anfänglich mühsamer voran. Die Regierung hatte in der Tat genug andere Sorgen.
    Kaum ging die Debatte über die Volksschulgesetze dem Ende entgegen, kaum hatten sich in der Nationalitätenfrage die Wellen wieder geglättet, um auf dem Land in der Form von Volksversammlungen und Protestschreiben weiter hoch zu gehen, zog schon ein neuer Sturm auf, der in seiner unmittelbaren Auswirkung noch mehr Unfrieden schuf.
    Zsigmond Boros behielt mit seiner Prophezeiung tatsächlich recht. Alles geschah, wie er im vergangenen November vorausgesagt hatte. Apponyis zunehmend nationalistische Schulgesetze wurden gerade erst behandelt, und schon lag der Vorschlag Ferenc Kossuths über die Angestellten der Staatsbahnen vor. Man gab ihm den Namen »Dienstpragmatik«.
    Die Begründung für die Öffentlichkeit besagte, dass die Regierung mit diesem Gesetz für immer Eisenbahnerstreiks der Art verhindern wolle, wie unlängst erlebt; der Streik hatte zwar nur einige Tage gedauert, aber ziemlich viel Aufregung verursacht. Der Vorschlag sah indessen nicht nur verschärfte Disziplinarmaßnahmen vor, sondern auch sprachliche Neuerungen. Er legte fest, dass die Staatsbahnen nur Personen beschäftigen dürften, die das Ungarische beherrschten.
    Da der Betrieb der Staatsbahn auch Kroatien betraf, bezog sich der Vorschlag auch auf das dortige Personal, was eine Neuerung bedeutete, und zwar von solcher Art, dass sie laut den Kroaten dem ungarisch-kroatischen Ausgleich 16 widersprach, der bei ihnen das Kroatische als Staatssprache festgelegt hatte. Zwar schrieb der Entwurf für das Personal auf kroatischem Gebiet bei Kontakten mit dem Publikum und den Behörden die Kenntnis der kroatischen Sprache vor, doch die kroatisch-serbische Koalition, die eben durch Kossuths Parteinahme an die Macht gekommen war, wandte sich gleich gegen das geplante Gesetz. Sie protestierte heftig und unverzüglich. Und als am fünften Juni die parlamentarische Debatte über den Entwurf begann, nahmen die kroatischen Abgeordneten ihr seit vielen Jahren nicht mehr benutztes Recht in Anspruch, indem sie bei ihren Wortmeldungen alle kroatisch sprachen. Auch sie leiteten eine Obstruktion ein. Sie nahm schwerer wiegende Formen an als die zuvor geführte Diskussion über die Nationalitäten, denn in der Kammer saßen vierzig Kroaten, die demnach von all den Mitteln Gebrauch machen konnten,

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