Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
verblassten immer mehr. Überall sprachen sie Erinnerungen an, dank denen sie die Frühzeit ihrer Liebe wieder durchlebte.
    In Mezővarjas machte sie den Ausflug zur Bank, auf der sie saßen, als BA zum ersten Mal gesagt hatte, dass er sie liebe; und wo sie sich so beleidigt gefühlt hatte durch seine lüstern begierigen Worte und den Kuss, mit dem er ihren Arm streifte. Wie kindisch ihr dies jetzt vorkam! Die Erinnerungen nisteten auch in ihrer Wohnung in Klausenburg, wo sie auf der Durchreise oft übernachtete. Alles war hier gleich wie damals. Die großen, weißen Schaffelldecken lagen als Teppiche auf dem Boden, darauf rote Seidenkissen, und im Kamin brannte auch jetzt ein mächtiges Feuer. Wie oft waren sie am Anfang ihrer Liebe zu zweit da gesessen! Hier lehrte ihr Bálint das Küssen, hier versuchte er an einem dämmerig halbdunklen Nachmittag, sie gewaltsam gefügig zu machen. Wie sie sich deswegen empörte! Und hier schrieb sie ihm viel später den Brief – sie meinte damals, von ihm damit endgültig Abschied zu nehmen –, in dem sie darlegte, dass sie niemals seine Geliebte werden könne und wolle und dass sie sich umbringen würde, »wenn das geschehen sollte«.
    Hier war letztes Jahr im Juni von ihr, dem Vater und ihrer Schwester Margit die Reise nach Venedig beschlossen worden. Schon damals, als sie sich bereiterklärte, ihre Geschwister dorthin zu begleiten, als sie bei ihrem Mann und bei der Schwiegermutter durchsetzte, dass man sie ziehen ließ, da wusste sie bereits – nicht eingestandenermaßen, aber mit Gewissheit –, dass sie Bálint für die vier Wochen hinbestellen würde, wiewohl sie glaubte, sie werde nicht lebend zurückkehren. Doch da war die Sehnsucht bereits stärker als alles andere …
    Und auch hier in Almáskő. Auch hier kündete jetzt alles vom Gleichen. Ihr Schafgemach, das Bálint damals, als sie krank darniederlag, zum ersten Mal betrat – am Tag, an dem Uzdy bei Morgendämmerung verreist war; die Pfade im Wald, wo sie zu zweit umschlungen wandelten; und hier die Riesenbuche, die einzige Zeugin ihres ersten heimlichen Treffens. Diesen Ort suchte sie nach ihrer Rückkehr aus Venedig oft auf. Beinahe täglich. Lange pflegte sie hier zu stehen – einsam und verlassen. All dies sprach unablässig zu ihr. Und während sie sich erinnerte, schlug sie die Sehnsucht immer stärker in ihren Bann: einander wiedersehen! Manche Erregung und Leidenschaft brach in den langen Monaten in ihr auf, sie zerrieben vieles, woran sie geglaubt, was sie für sich selbst als bindendes Gesetz betrachtet hatte.
    Von Abády wusste sie nichts. Hie und da vernahm sie, dass er in Pest und dann wieder in Dénestornya bei seiner Mutter gewesen sei; nichts aber hörte sie von seinem Leben. Was tat er jetzt, was fühlte er? Ob er noch an sie dachte oder schon eine andere Frau gefunden hat, die ihn tröstete? Und wenn ihr solches einfiel, biss sich die Eifersucht in ihrer Seele dermaßen fest, dass sie in ihrer Qual am liebsten geschrien hätte. Und sie klagte sich auch wegen dieser Eifersucht selber an, denn sie hatte ihn weggeschickt, freigegeben, sie hatte auf ihn verzichtet …
    Warum auch hatte sie das getan?
    Warum? Weil sie es hatte tun müssen. Sich scheiden zu lassen, dies stand nicht in ihrer Macht. Niemals ließe ihr Mann sie los, und er würde nicht nur sie, sondern auch ihren Geliebten umbringen. Mit Bálint brechen, dies einzig schien möglich, denn sie wusste, dass sie, sollten sie zusammentreffen, nicht imstande wäre, ihm zu widerstehen und sich zu verweigern, und dann … dass sie aus der Nähe ihres Mannes … das wäre entsetzlich, unrein und unmöglich! So lautete der sittliche Befehl; ihm nicht zu folgen, das hatte sie damals für undenkbar gehalten. Das lange Warten, das Verlangen, das Leiden sowie die Eifersucht zerrieben aber allmählich diese Begründung.
    Sie zermahlten ihren Willen. War denn nicht alles gleichgültig? Konnte man so leben? War es nicht Wahnsinn, den einzigen Mann von sich zu stoßen, den sie liebte, das einzige Glück, das ihr das Leben bot, ihr, der man selbst das eigene Kind genommen hatte? Die Schwiegermutter hatte es getan, und ihr Mann ergriff nicht einmal da die Partei seiner Frau, denn für Uzdy galt sie bloß als eine Odaliske, als ein Freudenmädchen und sonst als nichts. Das Verhältnis zu ihrem Mann war ohnehin schon ehrlos, welchen Unterschied würde es also machen, wenn sie bei diesem Sklavenschicksal annehmen sollte, was ihr das Leben bot? Warum, warum

Weitere Kostenlose Bücher