Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
Bildrand und der Tapete ausgespannt, hingen sie jetzt knotig im Leeren; staubig, wie sie waren, mussten selbst sie uralt sein. Unter dem fehlenden Porträt hing die kolorierte Fotografie Mihály Gyerőffys, der in ungarischem Galaanzug posierte – ein Bild, das László aus der Hauptstadt zurückgebracht und an seinen früheren Platz gehängt hatte.
    Das Mädchen suchte die Konversation in Gang zu bringen und fragte leicht unbedacht: »Was hat sich dort an der Wand befunden, dort in der Mitte?«
    Lászlós ineinandergewachsene Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen. »Man sagt, es sei das Bild meiner Mutter gewesen; angeblich von Cabanel. Er war in den achtziger Jahren ein berühmter Pariser Maler. Ich kann mich an das Bild natürlich nicht erinnern … Es heißt, mein Vater habe es aus diesem Fenster geworfen … damals … damals, als meine Mutter fortging.«
    »Armer László. Verzeihen Sie, dass ich eine so dunkle Erinnerung heraufbeschworen habe«, sagte das Mädchen und legte die Hand ermunternd auf den Arm des jungen Mannes.
    »Bitte, das trifft mich wirklich nicht. Vielleicht als ich noch ein Kind war … aber jetzt … jetzt ist es eh gleichgültig.«
    »Oh! Nicht wahr? Ich, sehen Sie, verstehe das sehr gut, wo doch auch mein Vater schon vor langer Zeit gestorben ist und auch ich eine Halbwaise bin – wir passen auch hierin zueinander! Das ist nur im Kindesalter von Gewicht, und wenn man erwachsen ist, wird es nur noch zu einer etwas traurigen Erinnerung, die aber nicht mehr schmerzt. Und wir haben unser eigenes Leben vor uns, und das Leben ist schön …«
    »Das kommt darauf an, für wen«, warf Gyerőffy bitter lächelnd ein.
    »Oh, für jeden, man muss nur wollen und den Willen aufbringen! Schauen Sie!«, sagte Dodó und setzte sich auf den Fenstersims. »Wie schön hier die Aussicht ist. Bereitet es denn keine Freude, Schönes zu sehen?« Sie zeigte hinunter, auf den Garten am sanften Hang. László setzte sich neben sie. Dodó plapperte freundlich weiter, stellte Fragen, verlangte Antworten, sie erkundigte sich auf liebenswerte Art. »Der Gärtner von Laxenburg hat den Park geplant, ja, er ist sehr schlau komponiert, er sieht aus, wie wenn er zweimal so groß wäre, dabei umfasst das Ganze nur zwanzig Joch.« »Tatsächlich? Man würde es nicht glauben. Und was für ein Baum ist das dort?« »Den kenne ich nicht.« »Und der dort, der andere, der ist auch exotisch, nicht?« Dann erkundigte sie sich nach dem Szamos, wie weit es zum Fluss sei, nach den gegenüberliegenden Hügeln und dem dreifachen zeltartigen Gipfel des Cibles, der aus der Ferne herüberglänzte. Wie sie nahe nebeneinander dasaßen, strich der weiche Arm des Mädchens manchmal unmittelbar am Gesicht des jungen Mannes vorbei, und wenn sie sich hinauslehnte, um auf etwas zu zeigen, hielt sie sich mit der kleinen, dicklichen Hand an Lászlós Schulter fest.
    Feiner femininer Duft entströmte ihrem schwarzen, glatten Haar, nachdem sie ihre Autofahrerhaube abgestreift hatte, und ihr leicht gerundeter Hals in der Öffnung der Bluse glich der Kehle einer Taube. László verspürte beim Geplauder am Fenster irgendeinen betörenden Zauber. Und ihm schien, als strahle ihm aus den aufrichtigen Augen des Mädchens große Liebe entgegen … Draußen begann es zu regnen. Einige Tropfen fielen diesseits des Fensters auch auf sie.
    Dodó sprang vom Sims, sie ging zum Bösendorfer. »Arbeiten Sie? Spielen Sie Klavier? … Nein? Schade.« Und wie er da unter den staubbedeckten Noten wühlte, die sich auf dem Deckel des Flügels stapelten, und wie László nach der einen oder anderen unter seinen Kompositionen suchte und sie herzeigte, während sich das Mädchen voller Interesse an ihn lehnte, da wirkte dies alles wie ein kameradschaftliches Liebesspiel, bei dem den Worten kein Sinn zukommt, da sie einzig dazu dienen, die beiden einander in die Nähe und zusammenzubringen, damit sie so verbleiben, damit ihre Schultern und Hüften sich berühren und ihr junges Blut unter der Haut in Wallung gerät.
    Der Regen draußen fiel nun schon dichter. Er trommelte am Fensterrand den Rhythmus der Chopin-Préludes. Die dichten Schnüre der Regentropfen senkten gleichsam einen Vorhang zwischen sie und die Außenwelt. Dodó entfernte sich als Erste vom Klavier. Ein wenig zögernd schritt sie zum Kanapee, das aber von hingeworfenen Kleidern, Büchern und allerlei Zeug bedeckt war. Vielleicht lag es hieran, dass sie zum Bett weiterging. Sie brachte die Daunendecke in

Weitere Kostenlose Bücher