Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
habe, aber vielleicht behauptete er das nur darum, weil er nicht den Mut fand … vielleicht war es doch neu … vielleicht richtete es sich doch an sie! Und bei diesem Gedanken füllte sich ihr Herz mit Freude.
Der kornblumenfarbige Wagen fuhr rasch das Tal entlang; bei Apahida überquerte er den Szamos und ließ die Abzweigung nach Tarcsa hinter sich. Dodó bekam etwas Angst vor der eigenen Kühnheit, als sie sich Kozárd, ihrem Ziel, näherte. Wie wird László es wohl aufnehmen, dass sie sich anerbot?
Sie prüfte jetzt zum letzten Mal jedes Wort, jeden Umstand. Klára Kollonich, Gyerőffys große Liebe, hatte ihn vor anderthalb Jahren verlassen. Seither mochte sein Schmerz doch nachgelassen haben. Unlängst, als László sie besucht hatte, deutete kein Zeichen darauf hin, dass er immer noch jenes Mädchen im Kopf haben sollte. Manchmal war er beinahe guter Laune gewesen … Und das eine oder andere fallengelassene Wort klang gut und ermunternd: »So kann ich mich nur mit Ihnen unterhalten … Das verstehen nur Sie allein …« Jawohl, so hatte er es gesagt. Freilich hatten sie einzig über Musik gesprochen. Doch Dodó zog den Schluss, dass dies auch etwas anderes bedeutete, dass es der Form nach bloß eine Bemäntelung war. Das glaubte sie, so wollte sie es glauben.
Einige Bauernhütten auf beiden Seiten, dann ein größerer, schäbiger Bau, darin ein Krämerladen. Der Besitzer, Mór Bischitz, sah erfreut, dass der wunderbare Wagen vor seinem Geschäft hielt. Wer ein solches Auto hat, kann nur ein großer Herr sein! So trat er also ehrerbietig hinaus, an den Wagen heran und zog den breitrandigen Hut. Nur die kleine, flache Mütze behielt er auf dem Kopf, als strenggläubiger Orthodoxer würde er sie bei keiner Gelegenheit je abnehmen.
»Geruhen etwas zu wünschen?«, empfahl er sich mit seiner dicken Stimme.
»Wo, bitte, ist die Einfahrt zum Schloss Gyerőffy?«, fragte Dodó.
Beschitz holte zu Erklärungen aus, hier, jenseits des leeren Grundstücks, bei dem unbewohnten Gesindehaus müsse man einbiegen, dann folge rechter Hand ein Tor, dort gehe es in einer Baumallee den Hügel hinauf. Unterdessen schlich sich ein kleines, barfüßiges Judenmädchen zum Wagen; es mochte neun oder zehn Jahre zählen. Schrecklich schmutzig und vernachlässigt war es, doch mit einem wunderbaren Gesicht. Tizianrote Haare hatte es, struppig wie ein Heuhaufen, und dazu beinahe schon unwahrscheinlich große, schwarze Augen.
»Ich will’s zeigen, ich begleite Sie!«, sagte es übereifrig, und am liebsten wäre es gleich losgezogen. Sein Vater fuhr es grob an: »Regina! Du bleibst da! Marsch in die Küche!« Und er drohte ihm mit der Faust. Auch die Dorfjungen, versteht sich, umgaben den Wagen, sie anerboten sich ebenso, und als Dodó Gas gab und losfuhr, rannten sie ihr ein Stück des Wegs noch nach.
Die kurvenreiche Baumallee führte sie oben auf dem Hügel hinter das Haus. Es war ein hübscher Bau, an französische Vorbilder gemahnend. Die langen, auch als Fenster dienenden, winzig quadratisch gegliederten Glastüren des Parterres reihten sich über dem hohen Sockel des Kellergeschosses. Von den Glasscheiben waren manche blind geworden, andere gar zerbrochen; hier unten wohnte offensichtlich niemand. Das Stockwerk mit seinen herausragenden Fenstern war mansardenartig ausgebaut. Dem kleinen Schloss sah man an, dass ein einziger Wille es gestaltet hatte. Lászlós Vater hatte es in der ersten Zeit seiner Ehe aufgrund von Pariser Plänen für seine Frau, die künstlerisch veranlagte Júlia Ladossa, bauen lassen. Das Schloss zeugte von ihrem Geschmack. Der Stil war in der Tat schön und vollkommen, der Bau hätte auch irgendwo im Loire-Tal stehen können, weshalb er denn hier in Siebenbürgen überaus fremdartig wirkte. Diese bis zum Boden reichenden Fenster, und das bei unserem Klima! Doch Júlia hatte nun einmal diesen Wunsch gehegt, und Mihály Gyerőffy, Lászlós Vater, war einzig darauf bedacht, ihn zu erfüllen.
In die Beletage im Parterre waren sie aber niemals eingezogen. Die schönen französischen Marmorcheminées waren schon eingebaut, die Wände hatte man gerade verputzt, die Seidentapeten aus Lyon waren unterwegs, als diejenige, für die das alles erbaut wurde, eines Morgens in ihrem Korbwagen wegfuhr. Sie verschwand. Sie war geflüchtet. Mihály Gyerőffy erschoss sich eine Woche später im Wald. Im Schloss aber wohnte hernach niemand mehr außer im Kellergeschoss ein für alles zuständiger Gutsverwalter. Bis
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