Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Schwelle ihres Schlafzimmers abgespielt hatte.
Zweiter Teil
I.
Die Mutter Dodó Gyalakuthys hatte für ihre Tochter ein Auto gekauft. Es war ein hübscher, offener Wagen mit einer amerikanischen Karosserie und Drahtspeichen-Rädern, der sogar mit siebzig Kilometern rollen konnte, was damals als fürchterliche Geschwindigkeit galt. Sie stellte dazu einen zuverlässigen, älteren Chauffeur an, und sie erlaubte Dodó, ihre Maschine nach Belieben zu nutzen, an diesem und jenem Ort bei Bekannten allein ihre Besuche zu machen. Sie hatte ihre Zustimmung nicht leicht gegeben, doch Dodó war ein willensstarkes, zielbewusstes Mädchen, sie hätte es auch gegen das Verbot der Mutter nicht anders gehalten. Frau Gyalakuthy, die dickliche und gutmütige Adelma, gab also klein bei, und dies umso eher, als ihre Tochter, klug und besonnen, niemals Verrücktheiten begehen würde.
In den Klatsch-Niederungen der alten Frauen, versteht sich, führte dies zu großer Entrüstung. »Ein Mädchen aus gutem Haus, die allein in der ganzen Welt herumzieht – hat man denn je so etwas Schlimmes gehört?«, rief die greise Frau Sarmasághy, die berühmte Tante Lizinka, als sie die Kunde vernahm. Und gleich ließ sie ihre zwei alten, großbauchigen Pferde einspannen, um nach Radnótfalva zu rattern; sie versuchte Adelma Angst einzujagen und von dem Vorhaben abzuhalten, noch mehr aber ging es ihr um Einzelheiten, die sie schön ausschmücken und im Lager der Lästerer in Umlauf würde setzen können. Sie brachte es indessen nicht fertig, Frau Gyalakuthys gutmütiges Lächeln zu trüben.
»Meine Tochter ist kein Kind mehr. Sie ist volljährig. Es hat keinen Sinn, dass jemand sie stets bewacht. Sie versteht es, auf sich selbst achtzugeben.«
Viel an Schrecklichkeiten, wenn es um Dodós Verhalten ging, ließ sich auch nicht sammeln. Dass sie mit dem Auto nach Vársiklód oder Mezővarjas zum Tennisspiel fuhr, bedeutete nicht gerade eine reichhaltige Angabe, und da bekannt war, dass Dodó von niemandem je der Hof gemacht wurde, fiel die Klatschernte ziemlich mager aus. So setzte Lizinka den Feldzug der üblen Nachrede nicht mehr lange fort, denn sie sah ziemlich bald ein, dass das Echo ausblieb. Dodó unternahm folglich ungestört ihre Fahrten mit dem Automobil. An manchem Tag legte sie aus lauter Spaß an der Sache auch längere Strecken zurück, etwa den Maros entlang oder in der Runde am Fuß der Berge von Torockó. Sie genoss die Geschwindigkeit.
Das kobaltblaue Sportauto fuhr an einem späten, ein wenig trüben Septembermorgen in raschem Tempo von Felek her die Straße hinunter. Es glitt auf der meilenweiten, steilen Strecke mit ausgeschaltetem Motor lautlos dahin, nur die Bremse knisterte manchmal vor den Kurven. Die Fahrt verlangsamte sich in solchen Momenten, und dann, auf der Geraden, gewann sie neuen Schwung. Dodó fuhr ruhig und aufmerksam, sie hupte rechtzeitig und schätzte den Abstand zu den entgegenkommenden oder in die gleiche Richtung strebenden Lastkarren richtig ein; alle ihre Gedanken, so konnte man meinen, galten dem Wagen, den sie lenkte. Dabei war das besonnene Ich hinter dem Steuerrad nur ein Teil von ihr; ihre Phantasie weilte anderswo, sie beschäftigte sich mit Dingen der unmittelbaren Zukunft und der jüngsten Vergangenheit.
Seitdem sie im Mai aufs Land gezogen waren, konnte sie László Gyerőffy nur selten treffen. Sie verwandte viel Schlauheit darauf, ihn dorthin zu locken. Zuletzt im August hatte sie ein Tennisturnier veranstaltet, um ihn verführerisch herzuholen. Sie brachte es fertig, ihn einige Tage dort zu behalten. Sie ließ ihn über Musik sprechen und Klavier spielen. Es bereitete ihr Freude, dass der sonst stets so zurückhaltende Mann mit ihr vertraut und lange plauderte, dass seine Verschlossenheit sich in ihrer Gesellschaft zu lösen schien. Sie wusste, dass dies keine Liebe war, doch ebenso wusste sie, dass er sie sympathisch und nett fand. Seither wechselte sie mit Gyerőffy den einen oder anderen Brief. Dodó befasste sich in ihren Schreiben mit musikalischen Fragen, sie schickte einige neue Noten und bat ihn um seine Meinung. Der junge Mann antwortete, zwar mit Verspätung, doch immer. In seinen Worten schien manchmal auch mehr zu liegen. Als wäre es ein aufkeimendes Gefühl. Und eine Woche zuvor hatte er ihr – mit ziemlich krausen Schriftzügen – ein kleines Lied geschickt, das eher düster gestimmt, aber doch ein Liebeslied war. Er schrieb zwar, dass er es vor längerer Zeit komponiert
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