Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
mit der neuen kleinen Frau in würdiger Haltung einen langsamen ungarischen Tanz absolviert hatte, schwang er mit der Brautmutter frisch das Tanzbein, und bei einer Polka hernach hopste er bald schon vergnügt herum und vollführte richtige Bocksprünge. Von Mal zu Mal, während er, an den Türpfosten gelehnt, sich die schweißbedeckte Stirn und den tropfenden Schnurrbart trocknete, verschleierten Tränen seine Augen. »Oh, die arme Judith, meine arme Frau!«, sprach er zu jenen, die zufällig gerade in seiner Nähe standen, doch kaum hatte er dies ausgesprochen, ergriff er eine der Frauen und tanzte und hüpfte mit ihr, um nach einigen Minuten, wenn er sich außer Atem an die Wand lehnte, sich abermals einer Welle der Erinnerung und der Wehmut zu überlassen.

    Draußen gab es eine wunderbare Mondscheinnacht. Das Licht floss wie Milch den Hang hinunter, ergoss sich über den Meierhof und ließ am Fuß der Stallungen und der Speicher rußfarbene Flecken entstehen. Eine aufmunternde Frische schlug den jungen Leuten ins Gesicht, als sie ins Freie hinaustraten. Vielleicht lag es daran oder an den mehr oder minder großen Mengen von Wein, die sie beim Abendessen getrunken hatten, dass sich jedermann angeregt, in ausgelassener Hochstimmung fühlte.
    »Wir müssten irgendeine Verrücktheit anstellen«, sagte Adrienne, die sich in Varjas, dem Schauplatz ihrer Kindheit, oft so vorkam wie einst, da sie und ihre Schwestern so viele abenteuerliche Späße getrieben hatten. In solchen Augenblicken vergaß sie die zahllosen Sorgen, ihre geisteskranke Schwester, ihre unglückliche Ehe, Uzdy und Almáskő. Sie wurde wieder zum jungen Mädchen, und ihr Lebensinstinkt brach sich – wie einst – Bahn: Sie regte sich und lief in wilder Rastlosigkeit.
    »Machen wir eine Runde durch das Dorf, vielleicht stoßen wir auf etwas.«
    Zoltánka, der während seiner Weinlese-Schulferien zumeist beim Gesinde herumlungerte, setzte dem Spaziergang gleich auch schon ein Ziel: »Wie man sagt, bewacht der Nachtwächter des Dorfes, statt durch die Gassen zu gehen, die ganze Nacht einzig den Laden des Juden, weil der ihn eigens bezahlt. Lasst uns nachsehen, ob das wahr ist.«
    Für den Anfang war das gut genug. Sie zogen los. Die Giebeldächer der stummen Häuser warfen kegelförmige Schatten quer über die holprige Landstraße. Bald standen sie vor dem heruntergelassenen Rollladen des Geschäfts. Sie schauten sich um. Niemand ließ sich entdecken – weder auf der Schwelle, zu der Bretterstufen führten, noch im Graben oder in der näheren Umgebung. Kein Mensch weit und breit. »Ist es also doch nicht wahr?« Da aber warf jemand die Frage auf: »Der Nachtwächter schläft vielleicht zu Hause und betrügt nicht nur die Gemeinde, sondern auch den Juden.«
    »Wenn wir nur wüssten, wo er wohnt …«, bemerkte ein anderer.
    Ein Glück, dass Zoltánka auch das wusste: Das Haus stehe am anderen Ende des Dorfs, auf dem letzten Grundstück neben der Zigeunerzeile. Sie liefen also höchst neugierig dorthin weiter.
    Am unteren Ende des Feldwegs, der zum Hügel hinauf und durch das Milóth-Gut von hinten zum Herrensitz führte, an der Ecke stand das Haus des Nachtwächters. Gegenüber befand sich schon eine Zigeunerkate. Letztere war völlig im Dunkel, während der Mond das Haus des Wächters scharf beleuchtete. Ein von Holzsäulen gestützter Vorbau mit der Tür in der Mitte lag unter dem riesigen Strohdach. Neben der Tür lehnte ein Stock, eine armdicke Stange von Menschengröße mit einem Knollen am Ende – wie eine Keule. Der Stock stand angelehnt da, der Dorfwächter war also zu Hause und schlief den Schlaf der Gerechten.
    Eine große Entdeckung! »Man müsste ihm eins mitspielen!« »Was könnten wir tun?« »Stehlen wir seinen Stock, dann darf er sich am Morgen wundern!« »Nein, das ist zu wenig, es müsste etwas anderes sein!« »Ja, aber was?«
    So berieten sie, leise flüsternd und lachend, vor der Gartentür. Und nun hatte jemand eine umwerfende Idee. Womöglich war es sogar Bálint, der einwarf: »Vielleicht hat er eine Kuh. Die müsste man stehlen – das wäre für ihn die größte Schande.«
    Das nun allerdings passte wenig zum Gesetzgeber, dem Abgeordneten von Lélbánya und dem ernsthaften Apostel der genossenschaftlichen Sache. Die abenteuersüchtige Hochstimmung, die jedermann befeuerte, hatte aber auch ihn erfasst. »Da, neben dem Haus, da steht der Stall.«
    »Ist aber niemand in der Nähe?« Vor der Zigeunerhütte gab es wohl etwas,

Weitere Kostenlose Bücher