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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Maßregelung jener, die der Regierung Tisza oder gar der sogenannten Trabanten-Regierung Fejérváry gedient hatten. In den Komitaten Maros-Torda und Fejér sowie anderswo waren bereits etliche Disziplinarverfahren im Gang, und es kam auch zu Rauswürfen, welche die Öffentlichkeit, versteht sich, in Parteien spalteten. Im Leben der Provinz gab es nun zwei feindliche Lager, die Männer duellierten sich, die Frauen erdichteten übereinander viel Schlimmes, das sie in Umlauf setzten, und in den Komitatshauptstädten machten die Parteien ihre Spaziergänge einzig auf der einen oder auf der anderen Straßenseite, um einander nicht begegnen zu müssen.
    Die Gäste waren gerade dabei, den Fall und die mögliche Zukunft des Hauptnotars von Maros-Torda, Péter Benő Balog, abzuhandeln, der sich bei der Amtseinführung des Trabanten-Obergespans verdächtig benommen hatte. »Oh, dem gibt man ganz sicher den Laufpass, wie ich höre«, sagte der Apotheker, als die Frau des Gutsverwalters oben auf dem Hausflur alle zum Nachtmahl rief. Die Wellen der Politik ebbten jetzt ab, und jedermann machte sich erwartungsvoll auf den Weg, hinauf in den Wohntrakt.

    Es gab ein Abendessen großen Stils, mit unzähligen Schüsseln. Man servierte Masthahn-, Gänse- und fettes Entenfleisch sowie – eine Sensation um diese Zeit – knackig gebratene Spanferkel. Dazu gab es Baumkuchen, gefülltes und gelegtes Kraut, Milchbrot, Kaffee mit Schlagobers, Fastnachtskrapfen und Strudel. Und viele schwere Weine von der Siebenbürger Heide und natürlich zahlreiche Trinksprüche.
    Und wie die Zeit beim Gelage fortschritt, schwirrten in der von Speisegeruch, Rauch und menschlichen Ausdünstungen schweren Luft immer dickere, anspielungsvolle Scherze, die sich auf die Hochzeitsnacht bezogen. Schließlich wurde der Tisch aufgehoben, und die Gesellschaft zog in einen anderen Raum, eigentlich ein Schlafzimmer, das man improvisiert in einen Salon verwandelt hatte; andere begaben sich ins Büro oder auf den Flur, wo sie warteten, dass der Esstisch auseinandergenommen werde, damit der Tanz beginnen konnte.
    Der alte Zakata hatte wohl nie im Leben so üppig und so viel gegessen. Seine magenkranke Frau hatte in ihrem Leben nichts Fettes geduldet, und die Köchin war das dermaßen gewohnt, dass sie ihn selbst jetzt noch auf schmaler Kost hielt. Auch solch hervorragende Weine waren ihm nie zuteilgeworden. Er meinte allerdings, es handle sich um die Ernte aus seinem Weingarten. »Dieser Schuft von einem Gutsverwalter hat das sicher aus meinem Keller gestohlen!«, teilte er – wie er glaubte: leise – der Gattin des Apothekers mit, was natürlich nicht nur seine andere Nachbarin, die Frau des Verwalters, sondern jedermann hören konnte, jedoch nicht zur Kenntnis nahm, wo er das doch so köstlich zum Besten gegeben hatte. Ihm erging es auch danach gut, als man sich endlich vom Tisch erhob, denn der alte Börcsey, der anno 1848 angeblich zur Einheit der Rotmützen gehört hatte, widmete seinen Garibaldisten-Erinnerungen hohe Aufmerksamkeit, den Geschichten, die Milóth mit Gusto erzählte, denen aber schon lange niemand mehr zuhören mochte. Er berichtete gerade mit ausladenden Gebärden über die Schlachten in der Umgebung von Palermo, als Adrienne zu ihm trat und ihn darauf aufmerksam machte, dass der Tanz demnächst beginne; es zieme sich nicht, dass Leute in Trauer weiter im Saal verweilten. Zakatas heitere Miene wurde jäh von Wehmut überzogen. Seine fransigen, weißen Augenbrauen und sein gewaltiger Schnurrbart krümmten sich tieftraurig nach unten.
    »Wie recht du hast, mein Kind, du mein alles!«, rief er mit Grabesstimme. »Für mein gebrochenes Herz gibt es bei einer solchen Vergnügung keinen Platz!«
    Und schon machte er sich, zusammen mit seinen Töchtern und Zoltánka sowie den Gästen im oberen Hofteil, auf den Weg hinaus. Die Letztgenannten befanden sich bereits draußen, doch Zakata blieb unter der Tür stehen. »Geht nur voraus! Ich alter Ochs muss leider noch ein Weilchen hier aushalten. Jetzt fällt mir ein, dass ich den ersten Tanz der Braut versprochen habe. Ihr könnt euch vorstellen, welchen Schmerz mir das bereitet! Aber ich bin ja so etwas wie ein Trauzeuge! Ich mache nur einige Schritte, dann komme ich euch nach. Geht, geht nur!« So sprach er, wandte sich zurück und verschwand gleich in der wogenden Menge der Hochzeitsgäste.
    Er kam freilich auch später nicht nach. Erwartet, allerdings, hatte ihn niemand. Er blieb im Saal. Und nachdem er

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